Dr. Ole Nordhoff: "Ohne Smart Packaging kann E-Commerce heute nicht mehr funktionieren."
Interview mit Dr. Ole Nordhoff
Zwischen sieben und neun Tage im Jahr verbringen die Deutschen durchschnittlich beim Einkauf – im Supermarkt. Einzelhändler wie Elektronik-Fachmärkte und Bekleidungsgeschäfte sind da nicht einbezogen. Zeit, die sich dank des zunehmenden E-Commerce sparen lässt.
Das sieht die Deutsche Post DHL Group genauso. Durch den Online-Supermarkt Allyouneedfresh.de sammelt das Logistik-Unternehmen eigene Erfahrungen im Online-Lebensmittelhandel und entwickelt daraus innovative Lösungen. Das Ziel: diesem Segment im deutschen E-Commerce zum Durchbruch zu verhelfen! Zum Beispiel mit der DHL Multibox, mit der der Supermarkt quasi zum Verbraucher kommt. Darin bleibt die Ware bis zur Übergabe geschützt, versiegelt und durch flexible Abtrennkonzepte bei Bedarf optimal gekühlt.
Als Leiter des Geschäftsfelds DHL Paket Deutschland hat Executive Vice President Dr. Ole Nordhoff spannende Einblicke zu unserem Interview des Monats beigesteuert.
Im interpack Magazin verrät der promovierte Betriebswirt, wieso E-Commerce boomt, was Verpackungen leisten müssen, um online gekaufte Waren bestens zu schützen und welche Herausforderungen der Versand von digital bestellten Lebensmitteln an Verpackungsindustrie und Online-Händler stellt.
DR. NORDHOFF ZUM THEMA E-COMMERCE
Herr Dr. Nordhoff, wieso bestellen Verbraucher online? Was ist ihnen wichtig und welche Vorteile sehen sie darin?
Wesentliche Gründe sind die zeitliche und räumliche Flexibilität, die es Verbrauchern ermöglicht, einzukaufen, wann und wo es ihnen gerade passt, egal ob auf der Couch mit dem Tablet oder in der Bahn mit dem Mobiltelefon. Außerdem bietet der Online-Kauf ein hohes Maß an Transparenz. Die Verbraucher können direkt, schnell und einfach das Angebot verschiedener Shops miteinander vergleichen und wählen, was ihnen am meisten zusagt. Inzwischen legen Käufer auch einen immer größeren Wert auf umfassenden Service, z. B. Kaufberatung und Erreichbarkeit.
DR. NORDHOFF ZU DEN ANFORDERUNGEN AN TRANSPORTVERPACKUNGEN
Für den Online-Handel muss jede Verpackung zugleich produkt- und versandgerecht sein. Was bedeutet das für ihre Herstellung?
Ohne Verpackungen kann E-Commerce nicht funktionieren. Die Transporteignung der Verpackung und der Waren ist die Grundlage dafür, dass die Bestellung unversehrt beim Empfänger eintrifft. Denn im Online-Handel werden überwiegend Produkte vermarktet, die auch im Fach- und Einzelhandel verkauft werden.
Ein Joghurtbecher, der im Handel in Schutztrays steht und deshalb mit einem dünnen Aluminiumdeckel auskommt, muss beim Versand zusätzlich geschützt werden. Das macht in den meisten Fällen eine weitere Polsterung und eine stabile Umverpackung erforderlich. Wird eine Produktverpackung hingegen speziell für den Online-Handel entwickelt, können die Transportanforderungen gleich mitberücksichtigt werden. Bei der Entwicklung der Verpackung muss auch der zusätzliche Einsatz zur Retourenabwicklung, also z. B. Materialwahl, Öffnungshilfe oder Wiederverschließbarkeit, berücksichtigt werden.
Was muss eine Verpackung aus Sicht eines Online-Händlers können und worauf legen Verbraucher bei der Verpackung ihrer online gekauften Waren wert?
Online-Händler wollen einen möglichst reibungslosen Versandprozess. Jede Verpackung muss aufgerichtet, befüllt, ausgepolstert und verschlossen werden. Das ist bei zehn Sendungen am Tag vielleicht noch unkritisch. Bei 100 oder mehr Packvorgängen am Tag sieht das aber schon ganz anders aus. Das Handling muss also schnell und einfach gehen.
Für den Verbraucher ist Verpackung Teil des Einkaufserlebnisses, da mit dem Auspacken quasi der Höhepunkt des Einkaufs stattfindet. Außerdem achten immer mehr Konsumenten auch beim Online-Kauf auf Nachhaltigkeit. Gerade bei Verpackungsmaterialien wird der Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen immer wichtiger.
Dr. NORDHOFF ÜBER DAS ONLINE-KAUFVERHALTEN IN HINBLICK AUF LEBENSMITTEL
Welches Potenzial haben digital durchgeführte Lebensmittelkäufe in Deutschland?
Noch wird hierzulande ein recht geringer Anteil des Lebensmittelhandels über das Internet abgebildet. Ein Blick über die Landesgrenzen hinaus zeigt jedoch, dass dieses Marktsegment mit den entsprechenden Voraussetzungen weit mehr Potenzial für den Distanzhandel bietet. Wir gehen davon aus, dass sich der Umsatz enorm steigern wird. Allein das letzte Quartal 2015 hat sich um 50 Prozent stärker entwickelt als das Vergleichsquartal im Vorjahr. Für 2016 rechnet der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel mit einer noch deutlicheren Zunahme.
Die Deutsche Post DHL Group hat früh die Chancen erkannt, die der Online-Lebensmittelhandel bietet. Wieso ist gerade dieser Bereich in Ihren Augen so spannend?
Wir sind überzeugt, dass sich das Wachstumspotenzial im Online-Lebensmittelhandel heben lässt und fördern daher durch verschiedene Aktivitäten dessen Entwicklung in Deutschland. Gemeinsam mit Handelsunternehmen treiben wir diesen Bereich voran, indem wir z. B. durch unser Engagement bei AllyouneedFresh die Anforderungen an den Markt aus erster Hand erfassen, Erfahrungen sammeln oder Lösungen entwickeln, von denen der Handel insgesamt profitieren kann.
DR. NORDHOFF ÜBER DIE ABWICKLUNG VON ONLINE GETÄTIGTEN LEBENSMITTELEINKÄUFEN
Wie lange dauert es, bis aus einem Lager wie dem von AllyouneedFresh ein durchschnittlicher Wocheneinkauf zusammengestellt, verpackt und an den Verbraucher geliefert wurde?
Man kann sich das ungefähr zehnmal so schnell vorstellen wie einen normalen Einkauf, da die Strukturen in diesen speziellen Lagern besonders optimiert sind. Ultrafrische Produkte wie Salate werden bei AllyouneedFresh z. B. frisch vom Großmarkt eingekauft. Von der Bestellung bis zur Lieferung an den Verbraucher braucht es in der Regel nicht länger als einen Werktag.
Welche besonderen Herausforderungen stellen sich bei Verpackung und Transport von Lebensmitteln?
Bei leicht verderblichen Lebensmitteln ist die ausreichende Kühlung während des gesamten Lieferprozesses enorm wichtig. Hier ist eine Herausforderung, dass Lebensmittel mit unterschiedlichen Kühltemperaturen, wie z. B. TK-Waren, Molkereiprodukte und Gemüse, zusammen transportiert werden müssen. Gleichzeitig muss die Ware durch die Verpackung ausreichend geschützt und dabei auf unnötige Umverpackungen verzichtet werden. Eine weitere Herausforderung bei frischen Waren ist die schnelle Zustellung beim Kunden. Beim DHL Online-Supermarkt AllyouneedFresh erfolgen daher alle Zustellungen an dem Tag, den der Kunde bei der Bestellung wählt.
DR. NORDHOFF ÜBER DEN TRANSPORT VON ONLINE GEKAUFTEN LEBENSMITTELN UND DIE DHL MULTIBOX
Inwiefern hat der zunehmende E-Commerce in der Lebensmittelbranche die Logistik- und Verpackungsbranche schon beeinflusst?
Durch neue Segmente im E-Commerce entstehen individuell auf die zu versendenden Produkte abgestimmte Verpackungslösungen. Zum Beispiel haben wir für den Online-Lebensmittelhandel mit unserer DHL Multibox den ersten Mehrweg-Isolierbehälter entwickelt, der für den Einsatz in einem Paketnetzwerk mit einem Gewicht von bis zu 31,5 Kilogramm geprüft und für Sortieranlagen zugelassen ist. Ihre Besonderheit sind die abtrennbaren Innenräume. Dank ihnen können innerhalb einer Box bis zu vier verschiedene Kühlzonen – von minus 18 Grad Celsius bis Umgebungstemperatur – eingerichtet oder z.B. auch Fächer für den Versand von Glasflaschen bereitgestellt werden.
Stichwort Entsorgung oder Recycling von Verpackungsmaterial: Was muss der Empfänger beachten, wenn ihm Lebensmittel in speziellen Transportverpackungen geliefert werden?
Bei der DHL Multibox ist die Ware bis zur Zustellung versiegelt und bei Bedarf gekühlt. Erst an der Wohnungstür wird sie geöffnet und der Kunde erhält seine Bestellung in biologisch abbaubaren Tüten. Diese hängen bereits während des Transports in der Box und schützen die Lebensmittel daher übrigens automatisch vor Stößen. Ein weiterer Vorteil für den Verbraucher ist, dass der Zusteller die Box im Anschluss wieder mitnimmt und die Versandverpackung nicht bei ihm verbleibt. Denn die DHL Multibox wird direkt für die nächste Lebensmittellieferung eingesetzt.