Was der Handel jetzt von der Verpackungsindustrie erwartet

Nachhaltigkeit wird zu einer immer wichtigeren Anforderung in einer traditionell innovationsgetriebenen Verpackungsindustrie. Boris Planer, Analyst und Berater für den Handel und die Konsumgüterbranche, spricht im Interview darüber, wie die Verpackungsbranche den Anforderungen begegnen kann.

Der Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit geht nicht nur von den Verbrauchern und vom Gesetzgeber aus, sondern auch vom Handel. Sowohl den Vollsortimentern als auch den Discountern ist es inzwischen wichtig, als Unternehmen wahrgenommen zu werden, das „auf der Seite des Guten steht“ und für seine Kunden nachhaltige Entscheidungen trifft. Dieser Wunsch wird an die Verpackungsindustrie immer stärker über Händler selbst herangetragen, und zwar im Rahmen ihrer Eigenmarkenprogramme und darüber hinaus natürlich indirekt über die Markenhersteller.

Wie bereits angedeutet, werden Händler verstärkt Wert darauf legen, sich als verantwortungsbewusste und nachhaltige Unternehmen darzustellen. Die Eigenmarkenprogramme sind hierfür ein wichtiger Kommunikationskanal. Wo kommen die Produkte her, woraus bestehen sie, wie sind sie verpackt, sind die Verpackungen einfach zu öffnen und wieder verschließbar und sind sie vielleicht sogar wiederverwendbar? All das prägt das Image eines Händlers und entscheidet über langfristige Kundenbindung. Auch sind Händler mit ihren Eigenmarken-Ranges in der Lage, Innovation schnell umzusetzen. Verpackungslieferanten, die mit Innovationen und technologischem Vorsprung hierzu einen Beitrag leisten können, werden bevorzugte Partner sein. Innovation bedeutet im Lebensmitteleinzelhandel natürlich: verbesserte Leistung bei wettbewerbsfähigen Kosten, etwa durch die smarte Reduktion von Verpackungsmaterial.

Verpackungen spielen eine zentrale Rolle im Wunsch vor allem jüngerer Verbraucher, nachhaltiger zu handeln. Dabei ist die Erwartungshaltung der Verbraucher, dass Händler, Hersteller und die Verpackungsindustrie gemeinsam Verantwortung übernehmen und Lösungen vorantreiben. Umwelt- und recyclingfreundlicheres Material, weniger Material bei gleichbleibender Produktsicherheit und Stabilität, Mehrweglösungen, Verpackungen mit zweitem Leben, gut verständliche Informationen zur richtigen Entsorgung – all dies sind Themen, die im Fokus stehen sollten. Nicht immer kann das Rad neu erfunden werden, der Fortschritt wird oft evolutionär sein. Trotzdem sollten Hersteller und ihre Verpackungslieferanten im Blick behalten, dass der Wettbewerb um den knapper werdenden Regalplatz für Markenhersteller in Zukunft nicht zuletzt über einen sichtbaren Beitrag zur Nachhaltigkeitsagenda des Händlers ausgetragen wird.

Die Verpackung leistet im modernen Handelsökosystem einen kleinen, aber wichtigen Beitrag. Vor allem muss sie omnichannel-fähig sein. Das heißt, sie muss sowohl im physischen Regal als auch über ein kleines Foto im Onlineshop Aufmerksamkeit und Umsatz generieren können. Hier gibt es noch viel ungenutztes Potenzial. Sie muss außerdem maschinenlesbar sein und den Prozessen automatisierter Warenlager und einer Kommissionierung im Onlinehandel auch physisch standhalten können. Idealerweise erlauben smarte Verpackungen auch die einfache Nachbestellung eines Produktes von zu Hause aus, indem etwa ein QR-Code mit dem Smartphone gescannt werden kann, oder sie versorgt – ebenfalls per scannbarem Code – die Verbraucher mit Informationen, Inspirationen und Rezepten.

Die Marktkonzentration im Handel sowie der Trend weg von der Großfläche hin zur wohnortnahen Kleinfläche werden zu einer Konsolidierung auf Herstellerseite führen. Insbesondere der Trend zur Kleinfläche, aber auch die neuen erlebnisorientierten Store-Layouts und der Vormarsch der Eigenmarken werden dazu führen, dass der physische Regalplatz für Markenhersteller abnimmt. Für die Verpackungsindustrie bedeutet das, dass auch die Anzahl ihrer FMCG-Kunden (Fast Moving Consumer Goods) abnehmen wird. Gleichzeitig wird das Verpackungsvolumen pro Hersteller zunehmen. Hersteller und Händler mit ihren Eigenmarkenprodukten werden sich für Verpackungslieferanten entscheiden, die sowohl ihre Nachhaltigkeitsagenda unterstützen als auch ihre preisliche Wettbewerbsfähigkeit abzusichern helfen. Innerhalb der Verpackungsindustrie wird also Innovation auf lange Sicht essenziell bleiben.

Die höhere Frequenz kleinerer Einkäufe in der wohnortnahen Kleinfläche sorgt dafür, dass der Anteil an impulsgetriebenen Entscheidungen am Regal weiter zunimmt: Kunden suchen im Markt verstärkt nach Inspiration, was sie heute zum Abendessen kochen können. Verpackungen sollten stärker dazu beitragen, dass ein Produkt im Regal auffällt. Dies kann über Form, Design, Farbe und Inspirationen erreicht werden. Hier gibt es für FMCG-Hersteller noch viel Potenzial, gemeinsam mit ihren Partnern aus der Verpackungsindustrie Schritte nach vorne zu machen.

Personalisierung im Massengeschäft Lebensmittelhandel wird immer ein schwieriges Thema sein. Umso mehr liegen für den einzelnen Hersteller aber große Chancen in verkaufsfördernden Initiativen, wie etwa der aufmerksamkeitsstarken Personalisierung von Gläsern eines Nuss-Nougat-Creme-Herstellers oder von Softdrink-Flaschen. Auch Händler, die über ihre digitalen Loyalty-Systeme über Kundendaten verfügen, könnten solche Initiativen für ihre Eigenmarken-Ranges anbieten. Über den Markt und den Onlineshop hinaus kann die Verbreitung über soziale Medien heute für mehr Aufmerksamkeit sorgen als jemals zuvor.

Ich merke in meinen Gesprächen mit der Verpackungsindustrie immer wieder, dass der Wille der Kunden zur Nachhaltigkeit bisweilen angezweifelt wird. Ich glaube aber, dass wir es hier mit einem langfristigen Trend zu tun haben, da er in tiefen emotionalen Bedürfnissen wurzelt. Die Inflationsphase von 2022 und 2023 hat dies meiner Meinung nach klar bestätigt. Unabhängig davon spielen auch der Handel und große Marktakteure eine zunehmend aktive Rolle bei der Umsetzung von Nachhaltigkeitsstrategien – und ihr Einfluss auf die Branche dürfte weiter zunehmen. Diese Entwicklungen verdienen auf jeden Fall Aufmerksamkeit, denn der knapper werdende Regalplatz, insbesondere für Markenprodukte, wird immer stärker an Marken vergeben werden, die die grüne Agenda eines Händlers unterstützen. Einen Beitrag zu leisten zur Verschmelzung der Megatrends Nachhaltigkeit und Convenience, das wird lange weit oben auf der Agenda stehen.