Partnerschaften denken statt Einzelkämpfer sein

Digitalisierung, Automatisierung, smarte Partnerschaften – 2025 eröffnet neue Perspektiven für die Verpackungsindustrie. Im zweiten Teil unseres exklusiven Interviews zeigen Dietmar Flügel und Mario Males von der BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, wie Unternehmen mit Innovation und Weitblick den Aufschwung aktiv gestalten können.

Dietmar Flügel: 2025 eröffnet der Verpackungsbranche vielversprechende Perspektiven, insbesondere durch die fortschreitende Automatisierung und Digitalisierung, die einen positiven Effekt auf die Effizienz und Flexibilität von Produktionsprozessen haben. Zudem steigt die strategische Bedeutung europäischer Verpackungshersteller als „sicherer Hafen“ sowohl für US-amerikanische als auch für chinesische Akteure zur Vermeidung etwaiger Zölle zwischen den beiden größten Volkswirtschaften. Darüber hinaus bleibt Nachhaltigkeit ein zentraler Wachstumstreiber: Kunden und Gesetzgeber fordern umweltfreundliche Materialien, Kreislaufwirtschaft und CO₂-Reduktion, wodurch innovative, ressourcenschonende Verpackungslösungen zunehmend an Bedeutung gewinnen. Dennoch bieten nachhaltige Substrate in einer Vielzahl von Produktbereichen noch keine vergleichbare Funktionalität zum Einsatz konventioneller Materialien, wie Plastik und Aluminium. Solange es hierfür noch keine tragfähigen nachhaltigen Substitute gibt, werden konventionelle Materialien trotz des politischen Willens zur Veränderung perspektivisch weiterhin eine hohe Bedeutung haben.

Unternehmen können sich auf bevorstehende Veränderungen vorbereiten, indem sie in nachhaltige Materialien, Automatisierungstechnik und flexible Produktionssysteme investieren, ihre Lieferketten diversifizieren und regulatorische Entwicklungen proaktiv im Blick behalten. Wer diese Entwicklungen frühzeitig aufgreift und Innovationen fördert, kann seine Marktposition stärken und langfristige Wettbewerbsfähigkeit sicherstellen. Die hierfür erforderlichen Finanzmittel lassen sich dabei über verschiedene Wege beschaffen, sei es beispielsweise über die klassische Bankfinanzierung, spezielle Debt Fonds, Leasingmodelle, Fördermittel oder eigenkapitalbasierte Finanzprodukte.

Mario Males: Geopolitische Verwerfungen, Handelskonflikte, Lieferkettenstörungen und schwankende Rohstoffpreise zählen zu den zentralen exogenen Faktoren, die den Aufschwung deutscher Verpackungsunternehmen wesentlich beeinträchtigen können. Besonders Abhängigkeiten von einzelnen Lieferunternehmen und -ländern oder schwer verfügbaren Rohstoffen machen Unternehmen anfälliger für Krisen und plötzliche Kostensteigerungen. Um resilienter zu werden, sollten Unternehmen ihre Lieferketten diversifizieren, alternative Materialien prüfen und strategische Partnerschaften aufbauen. Auch der Ausbau von Recyclingkapazitäten und eine stärkere Regionalisierung der Produktion können helfen, Risiken abzufedern. Risiken im Zusammenhang mit schwankenden Rohstoffpreisen lassen sich durch gezieltes Hedging deutlich minimieren – etwa durch den Einsatz von Finanzinstrumenten wie Termin- und Optionsgeschäften. Langfristig zahlt sich eine proaktive, vorausschauende Risikostrategie aus, um flexibel auf globale Veränderungen reagieren zu können.

Dietmar Flügel: Eine enge Zusammenarbeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette ermöglicht den Zugang zu Know-how, die Beschleunigung von Innovationen, die Optimierung von Recyclingprozessen, Kostenteilung bei der Skalierung von Lösungen, die allein kaum realisierbar wären, und die schnellere Erzielung der Marktreife neuer Materialien oder Technologien. Solche Kooperationen ermöglichen es, Best-Practice-Lösungen zu etablieren und die Herausforderungen komplexer, recyclingfähiger und ressourcenschonender Verpackungssysteme gemeinsam zu meistern.

Durch Kooperationen mit Recyclingunternehmen und spezialisierten Dienstleistern können Verpackungshersteller sicherstellen, dass ihre Produkte besser recycelt werden und der Einsatz von Rezyklaten (z. B. Post-Consumer-Rezyklat) steigt. Beispiele wie das Closed-Loop-Programm von Unilever oder Kooperationen zur Entwicklung neuer recyclingfähiger Materialien zeigen, dass solche Partnerschaften den Materialkreislauf schließen und Nachhaltigkeitsziele schneller erreichbar machen. Die Marktherausforderungen veranlassen die Verpackungsbranche, neue, bisher nicht gedachte Lösungswege zu beschreiten, die über die traditionellen, etablierten Geschäftsmodelle hinaus gehen.

Dietmar Flügel: Auch in der Verpackungsindustrie haben insbesondere digitale Technologien wie künstliche Intelligenz und intelligente Verpackungen längst Einzug gehalten und gewinnen hinsichtlich der Umstellung auf ressourcenschonende Produktionsabläufe und der Entwicklung nachhaltiger Verpackungslösungen zunehmend an Relevanz.

So ist KI beispielsweise bereits dazu in der Lage Verpackungsprozesse durch präzise Vorhersagen des Materialbedarfs, die Auswahl nachhaltiger Materialien, Echtzeitüberwachung von Lieferketten sowie die Anpassung von Produktionsabläufen zu optimieren. Engpässe können autonom erkannt, die Qualitätskontrolle verbessert und gleichzeitig energieeffiziente Betriebsmodi genutzt werden, um Ressourcen zu schonen und Kosten zu senken. Darüber hinaus unterstützt KI im Verpackungsdesign durch Trendanalysen, personalisierte Designs und automatisierte Layout-Erstellung. Sie hilft auch bei der Farbwahl und erstellt realistische 3D-Modelle. In Bezug auf Nachhaltigkeit trägt KI zur Entwicklung umweltfreundlicher Materialien, zur Bewertung der Recyclingfähigkeit und im Rahmen der Abfallvermeidung zur Optimierung von Verpackungsgrößen bei.

Eine weitere Entwicklung, die die zunehmende Relevanz der Digitalisierung innerhalb der Verpackungsbranche widerspiegelt, ist die sektorübergreifende Einführung des digitalen Produktpasses (DPP) bis 2030 durch die Europäische Union. Der DPP enthält wichtige Informationen zu Herkunft, Materialien, Recyclingfähigkeit und Umweltauswirkungen eines Produkts. Im Verpackungssektor trägt der DPP dazu bei, die Rückverfolgbarkeit zu verbessern und die Recyclingfähigkeit von Verpackungen zu fördern. Hersteller und Verbraucher:innen können so fundierte und ressourcenschonende Entscheidungen treffen und den Lebenszyklus eines Produkts transparent nachvollziehen.

Damit einhergehend ist die Einführung intelligenter Verpackungsfunktionen, sogenanntes Smart Packaging, die sich zunehmend großer Beliebtheit erfreuen. Insbesondere Funktionen bzw. Sensoren zur Messung und Regulierung von u. a. Temperaturschwankungen, des Lichteinfalls oder der Feuchtigkeit werden von Händlern und Konsumierenden geschätzt.

Lesen Sie auch Teil 1.