Das Unternehmen mit rund 40 Mitarbeitern ist vor zwei Jahren vom Stammsitz in Köln-Bickendorf einige Kilometer weiter ins benachbarte Hürth gezogen. Seit 2008 leitet Tina Gerfer den Spezialmaschinenbauer. „Mein Großvater hat mich schon früh auf die Rolle an der Spitze des Unternehmens vorbereitet. Von ihm habe ich nicht nur die soziale Verantwortung gelernt, er hat mir auch beigebracht, wie wichtig Resilienz und Durchhaltevermögen sind. Doch dann ist er leider schon 1982 gestorben und es kam zunächst anders. Da immer nur ein Mitglied der Familie im operativen Geschäft tätig sein durfte, übernahm damals mein Onkel die Geschäftsleitung.“ Tina Gerfer entschied sich für eine Ausbildung an der Europäischen Wirtschafts- und Sprachenakademie EWS in Köln, arbeitete danach in der Reitsportartikelindustrie. „Untypisch für eine Akademikerfamilie, habe ich auf ein Studium verzichtet. Ich fand Menschen immer spannend und wollte unbedingt Sprachen lernen. Das hilft mir heute sehr, und ich spreche mit Kunden fast häufiger Spanisch und Englisch als Deutsch.“ Ihr Tag beginne meist um fünf Uhr morgens, erzählt die Geschäftsführerin. „Da lese und beantworte ich Emails. Da wir ja Kunden überall auf der Welt haben, erreiche ich je nach Zeitzone manche eben am frühen Morgen.“
Den Schritt in die Geschäftsleitung hat Tina Gerfer bis heute nie bereut. „Die Branche, in der wir arbeiten, ist wie eine Familie, und ich liebe die Süßwarenbranche.“ Der Umzug von Köln nach Hürth ist ihr aber nicht leicht gefallen. „Es war erstaunlicherweise emotional ein schwerer Schritt für mich, obwohl unser Unternehmen in Köln in einem unmodernen, alten Gebäude untergebracht war. Aber beim Auszug habe ich zum Beispiel noch ein Geheimfach meines Großvaters entdeckt, in dem er unter anderem ein Gemälde seiner Heimatstadt Wernigerode aufbewahrt hatte. Von dort war er nach dem 2. Weltkrieg vor der drohenden Deportation geflohen.“
2013 stand der Fortbestand des mittelständischen Unternehmens auf der Kippe. „Wir hatten damals einen Großauftrag mit fünf baugleichen Maschinen, aber eine schwache Eigenkapitalquote, so dass die Finanzierung sehr schwierig wurde und ich persönlich haften musste. Schließlich haben wir uns für ein Insolvenzverfahren unter Eigenverwaltung entschlossen und mussten einen externen CRO (Chief Restructuring Officer) als Interimsmanager in die Geschäftsführung aufnehmen. Das war ein schwerer Schritt, aber ich würde immer wieder so entscheiden. Ich habe in der Zeit gelernt, dass die Insolvenz in Eigenverwaltung kein Stigma ist, und man offen damit umgehen sollte. Erstaunlicherweise haben alle unsere Kunden sehr verständnisvoll reagiert. Es gab einen großen Vertrauensvorschuss, auch weil sich herausstellte, dass mein Großvater vielen seiner Kunden in ähnlichen Situationen geholfen hatte. Wir haben es dann geschafft, innerhalb von zwei Jahren alle Verbindlichkeiten zu regeln. Und – was mir persönlich besonders wichtig war – wir konnten alle Mitarbeiter halten, mussten keine Kündigungen aussprechen. Außerdem ist kein Kunde und auch kein Lieferant abgesprungen. Das ganze Verfahren war eigentlich eine Chance, die uns auch attraktiver für eine Übernahme machte.“