Kompostierebare Verpackungen auf Algenbasis etablieren sich als Alternative zu Kunststoffen

Einwegverpackungen aus Kunststoff können äußerst praktisch sein –– und aus ökologischer Sicht sind solche Verpackungen gleichzeitig eine Herausforderung. Viele Unternehmen arbeiten an Lösungen, mit denen sich die Umweltbelastung begrenzen lässt, die von hunderten Millionen Tonnen dieser Produkte ausgeht. Eine Alternative sticht besonders hervor. Seegras, ein umweltfreundlicher und nachwachsender Rohstoff.

Der Begriff Seegras – auch Makroalge genannt – steht für tausende pflanzenähnliche Arten makroskopischer, mehrzelliger Meeresalgen. Nach Angaben der Universität Harvard binden Algen bis zu 20-mal mehr Kohlenstoff pro Hektar als Bäume.

Die beiden Unternehmen Notpla Ltd. mit Sitz in London und das US-Startup Sway treiben den Umstieg auf algenbasierte, umweltfreundliche Verpackungsmaterialien an vorderster Front voran.
Notpla erklärt auf seiner Website, dass die reichlich vorhandenen Algen „schnell wachsen und kein Süßwasser, Land oder Dünger benötigen. Sie binden CO₂ und verringern den Säuregehalt der umliegenden Gewässer“.

Notpla nahm 2022 von Prinz William den renommierten britischen  Earthshot Prize entgegen. Anfang März 2023 sorgte das Unternehmen für Schlagzeilen, als es eine weit reichende Vereinbarung mit Levy UK + Ireland – einem in diesen Ländern führenden Caterer für Sport-und Freizeitveranstaltungen – bekanntgab. Die exklusive Vereinbarung sieht vor, dass das zum Lebensmittelriesen Compass Group UK & Ireland gehörende Unternehmen im Catering in den kommenden drei Jahren etwa 75 Mio. biologisch abbaubare Lebensmittelverpackungen auf Algenbasis von Notpla einsetzt.

Laut Notpla hat eine von Levy durchgeführte unabhängige Analyse bestätigt, dass seine nachhaltigen und ökologischen Verpackungen die Treibhausgas-Emissionen im Vergleich zu herkömmlichen Verpackungsmaterialien um bis zu 70 % reduzieren. Die aktuelle Produktpalette an Verpackungen umfasst mit Algen beschichtete Lebensmittelbehälter, Beutel für Trockennahrung, Pipetten für Speiseöle, Behälter für Energiegels, Besteck und sogar starre Verpackungskomponenten wie Deckel und Verschlüsse. Eines der bekanntesten Produkte ist die essbare Wasserkugel Ooho. Laut Notpla haben seine Produkte bis heute bereits 7,2 Millionen Einwegplastikartikel ersetzt, die sonst die Umwelt belastet hätten.

Zu den ersten Sportstätten, die die nachhaltigen und kompostierbaren Verpackungen von Notpla verwenden, gehören das Kia Oval (Heimat des Surrey County Cricket Club), der Aston Villa Football Club, das Twickenham Stadium (offizielle Heimat des englischen Rugby) und das Aviva Stadium in Dublin. Laut Notpla werden in den kommenden Monaten mehr als 50 weitere Veranstaltungsorte diesem Beispiel folgen und die von ihren Besucherinnen und Besuchern bestellten Speisen in biologisch abbaubaren Verpackungen servieren.

Als Event-Caterer serviert Levy jährlich Millionen von Mahlzeiten - und erreicht durch seine Größe viele Menschen. Kurz: Levy kann einen positiven Einfluss ausüben und damit Veränderungen im Bereich nachhaltiger Verpackungen bewirken. Mit der CO2-Kennzeichnung auf seinen Menüs hilft das Unternehmen seinen Kundinnen und Kunden schon heute, nachhaltig zu bestellen. Der Caterer hat den Flugtransport für sein gesamtes Obst und Gemüse verboten. Er bietet saisonale Menüs an. Und er hat seine CO2-Emissionen um bis zu 60 Prozent reduziert, indem er ausschließlich pflanzliche Desserts anbietet.

Notpla hat seine kompostierbaren Lebensmittelverpackungen im Jahr 2019 entwickelt und auf den Markt gebracht. Seitdem konnte das Unternehmen seine Produktion von Zehntausenden auf mehrere Millionen Einheiten pro Jahr steigern.

Mittlerweile kann auch das in der Bay Area in Nordkalifornien angesiedelte Unternehmen Sway Auszeichnungen vorweisen. Und es hat Schritte unternommen, die Produktion seiner auf Algen basierenden und kompostierbaren Ersatzprodukte für Kunststoffverpackungen zu erhöhen.

Mitte Februar kündigte Sway eine „bahnbrechende Technologie an, mit der sich erstmals flexible Kunststoffe im großen Stil gegen Algen ersetzen lassen“. Sway zufolge ist sein zum Patent angemeldetes thermoplastisches Meeresalgenharz (TPSea™) eine völlig neue Kategorie von Biopolymerharzen. Das zu 100 % biobasierte und kompostierbare Material ist frei von Mikroplastik. Und es wird aus einer regenerativen Meerespflanze gewonnen, die zur Wiederherstellung von Ökosystemen beitragen und Küstengebiete hierbei unterstützen kann.

Das Unternehmen präsentierte das neue Harz im Januar in Paris im Rahmen der Biofabricate 2024 – die sich selbst als „weltweite Versammlung der Innovatoren, der Markenartikelhersteller und der Investoren“ beschreibt, „die die Transformation hin zu einer biobasierten Zukunft vorantreiben.“

Nach eigenen Angaben hat Sway seine neue Technologie so konzipiert, dass sie sich nahtlos in die größten Produktionsanlagen für Kunststoffe integrieren lässt. Das derzeitige Produktportfolio aus schmelzbarem TPSea™ umfasst flexible Verpackungen wie Polybeutel, Tüten für den Einzelhandel und Verpackungen für Markenartikel der Lebensmittelindustrie, die etwa 30 % aller Einweg-Kunststoffverpackungen ausmachen. TPSea™ wird in Heimkompostieranlagen schnell biologisch abgebaut. Es dient als Basis thermoplastischer Algenfolien, die laut Sway beispielsweise Verpackungen wie Kunststoff-Tüten, -Beutel und -Schutzhüllen für Modeartikel ersetzen können.

Gleichzeitig gab Sway bekannt, sich weitere Finanzmittel gesichert zu haben. Third Nature Investments leitete die erfolgreiche Seed-Funding-Runde, bei der Kapital in Höhe von 5 Mio. US-Dollar zusammengetragen wurde – darunter Investitionen seitens unter anderem The Helm, Alante Capital, BAM Ventures und Superorganism. Laut Sway unterstützen diese Finanzmittel unmittelbar die Erweiterung seines Produktportfolios. Und sie kommen seiner Akzeptanz bei Markenartikelherstellern aus Industriebranchen wie Mode, Lebensmittel und Haushaltswaren zugute. Das Unternehmen nennt Markennamen wie J.Crew, Burton und andere, die mit dem Tom Ford Plastic Innovation Prize (Preis für Innovationen im Bereich Kunststoffe) in Verbindung stehen.

Im Jahr 2023 gewann Sway diesen Preis mit Unterstützung des „Accelerator Programms“ der gemeinnützigen Organisation Lonely Whale. Tom Ford bezeichnet seinen 2020 ins Leben gerufenen Preis als „den einzigen globalen Wettbewerb, der sich auf die Entwicklung skalierbarer und biologisch abbaubarer Alternativen zu herkömmlichen Dünnschicht-Polybeuteln aus Kunststoffen fokussiert.”

Die jüngste Finanzierungsrunde erhöhte die 2,5 Mio. US-Dollar Startkapital, die das vier Jahre alte Startup-Unternehmen 2021 erhalten hatte.

„Wenn wir unsere Produktion in 2024 ausbauen, werden mit unseren Erfolgen saubere Ozeane, reiche Artenvielfalt und wirtschaftlich prosperierende Küstenregionen verbunden sein“, so Julia Marsh, CEO und Mitgründerin von Sway. „Wir glauben, dass alltägliche Materialien dazu beitragen sollten, unseren Planeten von den Meeren bis zum Erdreich zu erneuern. Die Markteinführung unserer thermoplastischen Algenmaterialien und der Zufluss neuen Kapitals für die Erweiterung unserer Produktionskapazitäten stehen für einen greifbaren Fortschritt hin zu einer stärker kreislauforientierten Zukunft.“

Doug Forster, Chief Sourcing Officer des Bekleidungsunternehmens J.Crew: „Für uns sind regenerative Prozesse und nachhaltige Verpackungen wichtige Schlüsselthemen. Wir freuen uns über die stetige Weiterentwicklung von Sway und die Aufnahme einer Produktion im industriellen Maßstab. Sie wird Markenartikelherstellern wie uns den Umstieg auf Materialien der nächsten Generation ermöglichen.“