Manche Ideen junger Talente werden in den europäischen Wettbewerben ausgezeichnet: Das SandKit-Gewinnerteam Maria Paula Monroy Vargas, Sarah Drauschke und Margo Rindle. Bild: Pro Carton
Junge Talente dringend gesucht
Nachwuchskräfte werden in allen Branchen gesucht, auch die Verpackungsindustrie ist auf junge Talente angewiesen. Ausgebildet werden sie an den europäischen Hochschulen oder in den verschiedenen Lehrberufen der Branche. Egal, ob Studium oder Lehre, der Nachwuchs geht oft unkonventionelle Wege mit mutigen neuen Ideen. Seine Förderung wird in der Branche daher heute als wichtige Investition in die Zukunft gesehen. Und auch, wenn die in der Ausbildung entwickelten Entwürfe und Prototypen selten als reale Verpackung im Regal stehen, bringen sie doch frischen Wind, neue Impulse und Inspiration.
Im letzten Jahr machten einige pfiffige Ideen auf sich aufmerksam, die durchaus das Potenzial haben, ihren Weg in den Handel zu finden. So hat eine Studentin der Leipziger Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK) eine ebenso einfache wie innovative Lösung entwickelt, die es erlaubt, entleerte und volle AA-Batterien in einer einzigen Verpackung getrennt voneinander aufzubewahren. Dafür wurde sie mit dem Deutschen Verpackungspreis in der Kategorie Nachwuchs ausgezeichnet und erhielt sogar einen der begehrten Gold Awards. Leonie Theurer studiert Verpackungstechnologie und Nachhaltigkeit an der HTWK und hatte die Idee zu Battpack in ihrem fünften Fachsemester im Modul Verpackungsentwicklung. „Das Problem kennt wohl jeder: Zu Hause liegen volle und entleerte Batterien in einer Schublade, und man weiß nicht mehr, welche noch verwendet werden können. So bin ich auf die Idee gekommen, eine Faltschachtel mit einer mobilen Trennwand auszustatten. Damit kann man die Batterien trennen, hat aber trotzdem nur eine Schachtel.“ Da der Studentin außerdem die einfache Entsorgung wichtig war, verwendet sie leicht zu recycelnden Karton. Eine aufgedruckte Scala sorgt schließlich noch für Übersicht im Batterienfach.
Für die innovative Verpackung für volle und entleerte Batterien gab es einen Deutschen Verpackungspreis. (Bild: Andre Wagenzik / dvi)
Auch eine innovative Verpackungslösung für Heimwerker könnte es durchaus in die Baumarktregale schaffen. Die papierbasierte Designidee „SandKit“ des Studententeams Maria Paula Monroy Vargas, Sarah Drauschke und Margo Rindle von der Münster School of Design (MSD) wurde im Rahmen des Seminars "Verpackungsdesign" am Fachbereich Design der FH Münster entwickelt und bietet eine intelligente und nachhaltige Lösung zur einfachen Handhabung von Schleifpapier an. Das Verpackungskonzept fungiert dabei nicht nur als Spender für Schleifpapier, sondern ist zugleich ein praktischer Schleifblock. Das Farbsystem der Faltschachtel gibt Auskunft über die Körnung des enthaltenen Schleifpapiers und ermöglicht somit eine einfache Auswahl des richtigen Schleifmittels. „Die Idee entstand, als wir zufällig mit Schleifpapier arbeiteten und dabei feststellten, dass Schleifpapier immer ein Riesenchaos verursacht“, erläutert Sarah Drauschke die Entstehung von SandKit. „Nachdem wir die Idee und das Konzept ausgearbeitet hatten, begannen wir, Prototypen zu bauen. Die größte Herausforderung dabei war, die Box so stabil wie möglich zu gestalten. Es war uns besonders wichtig zu zeigen, wie robust einfacher Karton sein kann, da SandKit ausschließlich aus Karton besteht“, ergänzt Margo Rindle. Für die Idee gab es ebenfalls einen Deutschen Verpackungspreis 2023 in der Kategorie Nachwuchs und außerdem einen Pro Carton Young Designers Award. Der europäische Nachwuchswettbewerb wird ausgerichtet vom europäischen Verband der Karton- und Faltschachtelhersteller, Pro Carton, und konzentriert sich ausschließlich auf Verpackungskonzepte, die auf Faltschachtelkarton basieren.
Das Verpackungskonzept fungiert als Spender für Schleifpapier und ist zugleich ein praktischer Schleifblock. (Bild: Pro Carton)
Einen weiteren Nachwuchspreis von Pro Carton bekam die Studentin Nang Htwe Htwe Lwin von der Ravensbourne University in London für Urbanbite,eine dynamische Kartonverpackung für Süßwaren, die den Verbraucher zur Interaktion anregen soll. Das Design zeichnet sich durch einen Slide-to-Open-Verschlussmechanismus aus, der die Kontrolle bei der Ausgabe ermöglicht. Die Verpackung kann aus einem einzigen zugeschnittenen A4-Karton hergestellt werden und soll wiederverschließbare Plastikbehälter ersetzen. Die Abmessungen und die Öffnung der Schachtel können an das jeweilige Produkt angepasst werden, so dass bei der Ausgabe der Süßwaren jeweils nur ein Stück freigegeben wird.
Der Slide-to-Open-Verschlussmechanismus ermöglicht eine kontrollierte Ausgabe der Bonbons. (Bild: Pro Carton)
Mehr Engagement in Sachen Nachwuchsförderung
Die österreichische Model Group fördert ebenfalls junge Talente. Ihr internationaler, jährlich ausgerichteter Wettbewerb Model Young Package suchte 2023 unter dem Motto „Thirsty for Packaging“ kreative und innovative Getränkeverpackungen. Erstmals gab es ein zweistufiges Verfahren: In der ersten Runde traten Schülerinnen und Schüler ab 15 Jahren sowie Studierende mit ihren Entwürfen an. In der zweiten Runde nahmen auch renommierte Designerinnen und Designer am Wettbewerb teil, um eine produktionsreife Verpackung nach realen Kundenanforderungen zu entwickeln. Mit dem neuen Konzept will Model junge Designtalente und Profis der Branche zusammenbringen. Die Rolle des Co-Organisators übernahm erstmals der Rat für Formgebung, eine Interessenvertretung für designorientierte Unternehmen. Die Stiftung will mit der Beteiligung am Model Young Package Wettbewerb ebenfalls ihr Engagement im Bereich Nachwuchsförderung junger Designtalente ausbauen.
Zu den Gewinnern des Model Young Package zählen Studierende der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle. Mit ihrem Projekt „Fold up Pick up" überzeugten Se Hyeon Won, Namju Kim, Kyoungjin Lee aus dem Studiengang Industriedesign und Hyeonjeong Lim aus dem Studiengang Kommunikationsdesign die Jury. Ihre Arbeit ist eine Verpackung, die ihre Form je nach Supply-Chain-Prozess ändern kann, von der Verteilung bis zum Verkauf. Der Hauptvorteil besteht darin, dass sich die Verpackung an die verschiedenen Phasen der Lieferkette anpasst. Sie beginnt als Standardbox für die Verteilung und Lagerung. Reißt man dann die Flügel auf beiden Seiten ab und klappt sie hoch, erscheinen Werbebanner und die Verpackung wird zum Sechser-Träger, der bequem über den mittleren Lochgriff getragen werden kann.
Die Verpackungslösung „Fold up Pick up“ kann ihre Form je nach Supply-Chain-Prozess ändern. (Bild: Model Group)
Lehrlinge mit neuen Ideen
Nicht nur Studierende punkten mit innovativen Verpackungslösungen. Auch Lehrlinge bringen Mut für Neues, Kreativität und unkonventionelle Ideen und Lösungen in die Unternehmen der Verpackungsbranche. So hat ein Lehrling der Margarethner Verpackungsgesellschaft in Österreich eine 3D-Verpackung für Kaugummi entwickelt. Die Natural Gum Presenterbox wurde im Auftrag von Mars Austria entwickelt und aus Rohpapieren von DS Smith hergestellt. Für den Launch der neuen Produktlinie schuf der junge Verpackungstechniker Peter Drescher eine fantasievolle Erlebniswelt aus Wellpappe. Gleich beim Öffnen der Wellpappe-Box richtet sich ein Kaugummibaum auf. In seinen Wurzeln liegen drei Kaugummi-Päckchen, die die neuen Sorten auf Pflanzenbasis attraktiv präsentieren. Die Verpackungslösung gehörte zu den Nominierten des Wellpappe Austria Awards, mit dem die österreichische Wellpappenindustrie jedes Jahr herausragende Verpackungslösungen aus Wellpappe auszeichnet.
Um den Nachwuchs zu fördern, veranstaltet der Verein Packaging Valley Germany jedes Jahr einen Makeathon (von „to make“ und „Marathon“). Im letzten Jahr trafen sich dazu Studierende, Start-ups, Fachkräfte aus Unternehmen und Technikbegeisterte an verschiedenen Orten, um gemeinsam in einem begrenzten Zeitraum von nur 48 Stunden an Lösungen für Digitalisierung und Nachhaltigkeit im Verpackungsmaschinenbau zu tüfteln. Über digitale Plattformen waren alle Beteiligte miteinander vernetzt und präsentierten am Ende ihre Ideen, Lösungen und Entwicklungen. Der Nachwuchs profitiert beim Makeathon vor allem von dem umfangreichen Netzwerk des Vereins – zu dem innovativen Cluster der Verpackungsindustrie gehören über 100 Unternehmen, darunter Maschinenhersteller, Automatisierungsspezialisten, Hersteller von Komponenten und Anbieter von Dienstleistungen.
Nachwuchsförderung gehört auch für das Deutsche Verpackungsinstitut zu den großen Zukunftsthemen. Das dvi unterstützt seine Mitgliedsunternehmen bei der Suche nach High-Potentials und den Führungskräften von morgen. Junge Talente können beispielsweise auf der dvi-Studierendenkonferenz aufgespürt werden, die jedes Jahr Unternehmen und den Nachwuchs an einen Tisch bringt. Im letzten Jahr kamen auf der Konferenz über 60 Studierende aus dem deutschsprachigen Raum mit Profis von dvi-Mitgliedsunternehmen zusammen - zum Gedankenaustausch über die Anforderungen der Zukunft und zur konkreten Arbeit in Workshops. Neben den Schwerpunktthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung stand vor allem der Aufbau wertvoller Kontakte im Mittelpunkt.