Auch Mondi testet das digitale Wasserzeichen zur Abfalltrennung für eine Kreislaufwirtschaft. (Foto: Mondi)
HolyGrail 2.0 und der digitale Recyclingpass
Kann eine neue digitale Technologie zur besseren Sortierung von Verpackungen und damit zu einem hochwertigeren Recycling beitragen und so die Kreislaufwirtschaft vorantreiben? Die Initiative HolyGrail 2.0 ist angetreten, genau das zu untersuchen.
Herzstück des Projektes sind digitale Wasserzeichen, die sich unsichtbar für das menschliche Auge im Farbdruck von Verpackungen verstecken können und wie ein Barcode funktionieren. Das US-amerikanische Unternehmen Digimarc hat diesen so genannten Digital Watermark Code entwickelt, der per Software einfach in vorhandene Druckdateien integriert wird, so dass keine speziellen Farben oder Druckverfahren nötig sind.
Die unsichtbaren Codes haben die Größe einer Briefmarke und können die gesamte Verpackungsoberfläche bedecken ohne das eigentliche Verpackungsdesign zu stören. In der Abfallsortieranlage erfassen dann hochauflösenden Kameras den Code. Anhand der ausgelesenen Informationen kann die Anlage den Verpackungsabfall effektiver als bisher in entsprechende Materialströme trennen.
Pilotprojekt mit neuer Vernel-Produktreihe: Digitale Wasserzeichen funktionieren wie ein für das menschliche Auge unsichtbarer Barcode auf der Verpackung. Foto: Henkel
Entstanden ist HolyGrail 2.0 aus dem Pionierprojekt HolyGrail, das von 2016 bis 2019 von der Ellen MacArthur Foundation gefördert wurde. Damals wurden entlang der Verpackungswertschöpfungskette verschiedene Ansätze zur Verbesserung des Recyclings untersucht. Die digitalen Wasserzeichen hatten sich als die vielversprechendste Technologie erwiesen. Daran knüpfte der europäische Markenverband AIM mit der Initiative HolyGrail 2.0 an, der sich mittlerweile über 120 internationale Unternehmen und Organisationen angeschlossen haben.
Who´s who – Wie wichtig das Projekt ist, zeigt sich schon an der langen Liste der beteiligten Handelsunternehmen und Produzenten (Screenshot AIM)
Zweite Testphase mit 125.000 Verpackungen
Im September ist in Kopenhagen die nächste Phase in der Erprobung digitaler Wasserzeichen für die intelligente Sortierung von Verpackungsabfällen an den Start gegangen. Zuvor hatten die beiden Maschinenhersteller Pellenc ST und Tomra zusammen mit Digimarc Zusatzmodule für ihre Sortieranlagen entwickelt, die mit vorhandenen NIR-Sortiergeräten (Nahinfrarot) kombiniert werden können. Ein erster Prototyp von Pellenc ST wurde jetzt im Sortierzentrum Amager Resource Centre (ARC) in Kopenhagen installiert und soll eine Ausschleusungsrate von über 95 Prozent erreichen. In den kommenden Monaten werden dazu Versuche mit etwa 125.000 Verpackungen durchgeführt, die von HolyGrail 2.0-Mitgliedern zur Verfügung gestellt wurden. So nimmt beispielsweise Henkel an der aktuellen Testphase mit den Verpackungen seiner Produkte Vernel und Pattex teil. Ziel ist, weitere Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie die digitale Wasserzeichentechnologie die Sortierung von PET-Flaschen mit perforierten Sleeves (Vernel) und PE-Silikondichtstoffkartuschen (Pattex) verbessern könnte. Und so wird ein Erfolgskriterium der Testphase sein, dass das Modul von Pellenc ST Verpackungen mit digitalen Wasserzeichen in verschiedenen Größen und Formen erkennt und sortiert. Das Tomra/Digimarc-Modul wird voraussichtlich Ende 2021/Anfang 2022 in Deutschland getestet.
Der erste Prototyp zur Erfassung des DW-Codes wird jetzt in Kopenhagen getestet. Foto: AIM
Laufen beide Tests erfolgreich, könnten in der ersten Jahreshälfte 2022 Verpackungen mit dem DW-Code in Dänemark, Frankreich und Deutschland in die Verkaufsregale kommen, die nach Gebrauch in den „echten“ Abfallstrom gelangen. Beide Prototypen kämen dann in einem groß angelegten Pilotprojekt in kommerziellen Sortier- und Recyclinganlagen unter normalen Betriebsbedingungen zum Einsatz. Zum Ende 2022 will die HolyGrail 2.0-Initiative einen abschließenden Bericht mit allen Ergebnissen vorlegen.
Der „digitale Recyclingpass“ könnte aber nicht nur für einen effizienten Sortier- und Recyclingprozess sorgen. Er bietet auch Möglichkeiten für die Verpackungsgestaltung, die Abwicklung der Prozesse in Logistik, Warenkontrolle und beim Verkauf im Handel, denn die Codes können eine Vielzahl an Informationen tragen. So wurde u. a. die so genannte GTIN (Global Trade Item Number) in den DW-Code integriert, hinter der sich die weltweit eindeutige Artikelnummer (bei uns als EAN-Code bekannt) verbirgt.