Verpackungsmaterialien verlängern Haltbarkeit von Lebensmitteln
Was noch gut ist, gehört nicht in die Tonne
1,3 Mrd. Tonnen Verlust an Nahrungsmitteln pro Jahr weltweit
Weltweit gehen laut Schätzungen der FAO 1,3 Milliarden Tonnen an Lebensmittel pro Jahr verloren – das entspricht einem Anteil von 30 bis 40 Prozent. In Europa sind es über 100 Millionen Tonnen, in Deutschland noch 18 Millionen, die ungenutzt entsorgt werden müssen. Das Vermeidungspotenzial über die gesamte Wertschöpfungskette von Ernte, Nachernte über Prozess und Verteilung bis hin zum Konsumenten ist hoch. Allein in Deutschland können laut Bericht bereits heute 10 Millionen Tonnen der insgesamt 18 Millionen Tonnen, die jährlich ‚in der Tonne’ landen vermieden werden. Die Verteilungsverluste im Groß- und Einzelhandel belaufen sich auf 2,58 Millionen Tonnen. Davon wären 2,4 Millionen Tonnen, so die Untersuchung, vermeidbar – also fast 90 Prozent.
Für Warenvielfalt und gefüllte Regale wird oft mehr bestellt als oftmals tatsächlich verkauft werden kann. Die Hochschule Deggendorf arbeitet an einem Prognose- und Dispositionssystem, das Verschwendungs-Kennzahlen im Frischesortiment berechnet und so unnötigem Lebensmittelverlust vorbeugen kann.
Aktive Verpackungen für längere Haltbarkeit
Was aktive Verpackungssysteme hinsichtlich der Verderblichkeit von Lebensmitteln leisten können, hat das ‚Frauenhofer IVV’ kürzlich am Beispiel von Kochschinken und Champignons untersucht.
Vier Tage länger frisch. Champignons, die in Folie eingeschweißt sind, zeigen in der Regel schon nach kurzer Zeit Verfärbungen, die nicht nur unschön anzusehen sind, sondern Kunden häufig auch vom Kauf der Produkte abschrecken. Die Folge: Lebensmittel, die eigentlich noch genießbar sind, werden unnötigerweise entsorgt. Feuchteregulierende Verpackungen mit eingearbeitetem Kochsalz können, so zeigen die Erkenntnisse der Untersuchung, Kondenswasserbildung verhindern und damit Qualitätsveränderungen entgegenwirken. Sauerstoffabsorber in der Schinkenverpackung binden den Sauerstoff und verzögern damit die farbliche Veränderung des Schinkens – von frisch rosa nach fad grau. Die Absorption des Sauerstoffs durch die aktive Verpackung zögert die sichtbare Veränderung der Produktqualität laut Untersuchung um ganze vier Tag hinaus.
Mehr bestellt, als tatsächlich verkauft
Im EU-Vergleich ist der Anteil an Nahrungsmittelverlusten und –verschwendungen in den Niederlanden am größten. Der WWF Deutschland führt den Pro-Kopf-Verlust pro Jahr mit knapp 600 kg an. In Belgien sind es immerhin noch 400 kg, in Zypern über 300 kg. Deutschland liegt auf Platz 18.
„Lebensmittelverluste im Lebensmitteleinzelhandel verschlechtern die Energiebilanz“, schlussfolgert Prof. Diane Ahrens von der Technischen Hochschule Deggendorf. Deren Wissenschaftler haben eine Applikation (App) entwickelt, die nach Eingabe der vorhandenen Restmenge und unter Einbindung von Bestell-, Lieferrhythmen und Gebindegrößen die optimale Bestellmenge vorschlägt. Hohen Mengen an nicht abverkauften bzw. verdorbenen Lebensmitteln soll so vorgebeugt werden. Die Testläufe in fünf Filialen seien gut verlaufen. Mittels App konnte der Verlust bei Champignons von 8,5 Prozent auf 5,3 Prozent reduziert werden. Hochgerechnet auf den gesamtdeutschen Lebensmitteleinzelhandel könnte laut der Hochschule die Nutzung der Applikation zu einer Reduzierung von knapp 1,7 Millionen Kilogramm Lebensmittelverlusten im Frischwarenbereich pro Jahr führen.
Fühlbare Frische mit speziellem Siegel
Der größte Anteil an Lebensmittelverlusten mit knapp 40 Prozent entsteht beim Verbraucher. Für viele Kunden ist das aufgedruckte Mindesthaltbarkeitsdatum die einzige Richtgröße und entscheidet über Genuss oder Verderb des Lebensmittels. Darüber, dass Produkte häufig auch über die gekennzeichnete Mindesthaltbarkeitsdauer genießbar sind, hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) im vergangenen Jahr in einer Broschüre aufgeklärt. Darin heißt es ausdrücklich: Das Mindesthaltbarkeitsdatum ist kein Verfallsdatum.
Doch woran können Verbraucher erkennen, dass das Produkt noch frisch ist? Eine innovative Produktidee stammt von einer Designerin aus Großbritannien. Ihr Frischesiegel „Bump Mark“ macht fühlbar, ob das Lebensmittel noch gut ist oder bereits verdorben. Unter das Ganze funktioniert so: Unter der obersten Folienschicht liegt eine Schicht aus Gelatine. Darunter eine geriffelte Plastikfolie, bevor die eigentliche Verschlussfolie kommt. Die Gelatine hat durch ihre Proteinbasis eine ähnliche Verfallszeit wie die verpackten Produkte – in diesem Fall Fleisch, Milch oder Käse. Beginnt die Gelatine sich zu zersetzen, wird dies durch die oberste Folienschicht fühlbar. Für diese clevere Idee hat die Erfinderin Solveiga Pakštaitė kürzlich den ‚James Dyson Designpreis’ gewonnen. Die Markteinführung steht noch aus.