Verbindliche EU-Regeln für nachhaltigere Verpackungen rücken näher
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Die EU-Verpackungsverordnung könnte bald final verabschiedet werden. Bild: unsplash/ Alexandre Lallemand
Verbindliche EU-Regeln für nachhaltigere Verpackungen rücken näher
Die europäische Verpackungsverordnung soll endlich eine EU-weite Harmonisierung der Regelungen rund um Verpackungen und Verpackungsabfälle bringen. Damit, so das Ziel, können die wachsenden Mengen an Verpackungsmüll in der Staatengemeinschaft reduziert und gleichzeitig Unternehmen motiviert werden, auf nachhaltigere Lösungen umzusteigen. Recyclingfähige Verpackungen, der gesteigerte Einsatz von Rezyklaten, die Einführung von Mehrweg- und Pfandsystemen sollen eine echte Kreislaufwirtschaft vorantreiben. Nach der Trilog-Verhandlung im März und der Billigung des jüngsten Kompromissvorschlags durch die Vertreter der Mitgliedstaaten hat im April auch das EU Parlament die Packaging and Packaging Waste Regulation (PPWR) angenommen. Nun steht noch die finale Zustimmung des EU Rats an.
Beim Dreiertreffen der gesetzgebenden Institutionen der EU, dem so genannten Trilog, haben sich Europäische Kommission, Rat und Parlament Anfang März auf einen Kompromisstext zur neuen Verpackungsverordnung geeinigt. Er sieht verbindliche Reduktionsziele, Verbote bestimmter Verpackungen, die Begrenzung des Leervolumens in Verpackungen, die Förderung von Mehrwegverpackungen sowie verschärfte und erstmals konkrete EU-weite Anforderungen zu Recyclingfähigkeit von Verpackungen und dem Einsatz von Rezyklaten vor. Nachdem es zunächst hieß, dass die Verabschiedung der Packaging & Packaging Waste Regulation (PPWR) könnte noch vor den Europawahlen Anfang Juni möglich sein könnte, ist dies nun voraussichtlich aber erst im Herbst geplant. Die Regelungen sollen dann 18 Monate nach Inkrafttreten der Verordnung wirksam werden.
Die PPWR will ein wirksames Instrument im Kampf gegen den Verpackungsmüll sein. Bild: unsplash/Nick Fewings
Das Umweltbundesamt sieht in dem Ergebnis des Trilogs einen wesentlichen Fortschritt für die umweltfreundliche Verpackungsgestaltung und Kreislaufwirtschaft von Verpackungen in der gesamten EU – auch wenn einige der vorgesehenen Regelungen hinter dem deutschen Regelungsniveau zurückbleiben. Der gefundene Kompromiss sei insgesamt ein wirksames Instrument im Kampf gegen die Verpackungsflut und gebe auch Herstellern von Verpackungen Vorgaben für eine umweltfreundlichere Verpackungsgestaltung an die Hand. Wichtig sei es jetzt, das Verfahren erfolgreich abzuschließen und die gefundenen Kompromisse nicht im Nachhinein in Frage zu stellen. Klarheit über den rechtlichen Rahmen zu Verpackungen und Verpackungsentsorgung für die nächsten zehn Jahre sei wichtig, damit Unternehmen ihre Aktivitäten darauf ausrichten können. Dementsprechend warten viele Stakeholder auf die finale Entscheidung.
„Der PPWR stellt eine große Chance dar, den Abfall- und Ressourcenverbrauch von Verpackungen zu minimieren und gleichzeitig deren Kreislauffähigkeit zu erhöhen, sowohl durch tatsächliches Recycling als auch durch den verstärkten Einsatz von recycelten Kunststoffen.“
Jakob Mosser, Vorsitzender von Flexible Packaging Europe
Bestimmte Verpackungen ab 2030 verboten
Die Vereinbarung setzt Ziele für die Reduzierung von Verpackungen (5 Prozent bis 2030, 10 Prozent bis 2035 und 15 Prozent bis 2040) und verpflichtet die EU-Länder, insbesondere die Menge an Kunststoffverpackungsabfällen zu verringern. Gemäß der Einigung sollen bestimmte Einweg-Plastikverpackungen ab dem 1. Januar 2030 verboten werden. Außerdem hat das Parlament ein Verbot der Verwendung so genannter “forever chemicals” (per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen oder PFAS) in Verpackungen mit Lebensmittelkontakt durchgesetzt. Die Verhandlungsführer haben sich darauf geeinigt, ein spezifisches Ziel für wiederverwendbare Verpackungen für alkoholische und alkoholfreie Getränke (außer z.B. Milch, Wein, aromatisierter Wein, Spirituosen) bis 2030 (mindestens 10 Prozent) festzulegen. Die Mitgliedstaaten können unter bestimmten Bedingungen eine fünfjährige Ausnahmeregelung von diesen Anforderungen gewähren. Künftig sollen alle Verpackungen wiederverwertbar sein und müssen strenge Kriterien erfüllen. Beschlossen wurden Mindestzielvorgaben für den stofflich verwerteten Anteil aller Kunststoffteile von Verpackungen. Außerdem sollen 90 Prozent der Einweg-Getränkeverpackungen aus Kunststoff und Metall (bis zu drei Litern) über Pfandsysteme bis 2029 getrennt gesammelt werden. Mit den beschlossenen Maßnahmen will die EU den Verpackungsmüll in der Staatengemeinschaft bis 2040 schrittweise um mindestens 15 Prozent im Vergleich zu 2018 reduzieren.
Verbände begrüßen und kritisieren den Kompromiss
Nach der Zustimmung der Mitgliedsstaaten zum Kompromissvorschlag kommt Lob und Kritik von Herstellern und Verbänden. Der BDE Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft etwa begrüßte die Einigung grundsätzlich und zeigte sich erleichtert, dass die Mitgliedstaaten auch durch die Unterstützung Deutschlands für die im Trilog mit dem Parlament gefundene politische Einigung gestimmt haben. Der Kompromissvorschlag zielte insbesondere auf die Regelungen bezüglich der für die Mindesteinsatzquoten anrechenbaren Rezyklate ab, die für Unstimmigkeiten bei der Europäischen Kommission geführt hatten. Nach der sogenannten Spiegelklausel darf nun künftig das in Kunststoffverpackungen einzusetzende Rezyklat sowohl aus der EU stammen oder außerhalb der EU recycelt worden sein, wenn es europäischen Qualitäts- und Nachhaltigkeitsanforderungen für Rezyklate entspricht. Die hierfür benötigten Kunststoffabfälle können ebenfalls sowohl in der EU als auch in Drittstaaten gesammelt worden sein. Allerdings müssen in Drittstaaten bei der Sammlung und dem Recycling Umweltstandards eingehalten werden, die den in der EU geltenden Standards entsprechen. Damit konnten handelsrechtliche Bedenken ausgeräumt werden. „Die hier richtig gesetzten verpflichtenden Rezyklateinsatzquoten sind genau das Instrument, das wir brauchen, um zu einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe zu kommen und die Klimaziele der EU zu erreichen“, erklärte BDE-Hauptgeschäftsführer Andreas Bruckschen.
Die geplanten Mindesteinsatzquoten für Rezyklate sorgen für Kritik. Bild: Alpla
Die IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen e.V. sieht dagegen gerade die “Spiegelklausel” kritisch, da die EU durch diese kurzfristig eingefügte Klausel auf massive Handelskonflikte zusteuere. „Wir sind entsetzt, dass die PPWR zu einer Anti-Plastik-Verordnung umgestaltet werden soll“, kritisiert IK-Hauptgeschäftsführer Dr. Martin Engelmann. „Wir fordern die Kommission auf, ihre Bedenken insbesondere zu den Handelsbarrieren offenzulegen. Sie sollte außerdem klarstellen, dass die massive Ausweitung der Mehrwegquoten für Industrieverpackungen auf 100 Prozent technisch in vielen Fällen nicht möglich und ökologisch unsinnig ist und einem Verbot vieler Verpackungstypen gleichkommt.“
Die Hersteller von Kunststoffverpackungen kritisierten die ihrer Meinung nach zahlreichen Schlupflöcher: Die ungerechtfertigten Privilegien zum Beispiel von Papier- und Kartonverpackungen führen laut IK zu mehr Verpackungsabfall, höheren CO2-Emissionen und weniger Recycling – ein Widerspruch zu den Zielen der Verordnung. Der Verband fordert daher unverändert gleiche Regeln für alle Verpackungsmaterialien, um ökologische Fehllenkungen zu vermeiden.
“Lebensmittelverpackungen aus Papier und Karton beispielsweise kommen meist nicht ohne Kunststoffbeschichtung aus, da unbeschichtete Fasern weder Feuchtigkeit noch Fett zurückhalten können. Im Vergleich zu reinen Kunststoffverpackungen sind sie aber deutlich schlechter recyclingfähig und sind überdies durchschnittlich 40 Prozent schwerer, was sich negativ auf den Energieverbrauch auswirkt. Dass sie aus vielen Regelungen ausgenommen werden, führt zu einer Fehlentwicklung am Markt und widerspricht dem Gleichbehandlungsgrundsatz der EU.“
Dr. Isabell Schmidt, Geschäftsführerin Kreislaufwirtschaft in der IK
Auf Unverständnis stößt beim Verband auch, dass kunststoffbeschichtete Verpackungen mit weniger als fünf Prozent Kunststoffanteil von den Rezyklateinsatzquoten ausgenommen werden sollen, und sie die Anforderungen an ein großmaßstäbliches Recycling nicht erfüllen müssen. Auch könne in Fast-Food-Restaurants zukünftig weiter aus kunststoffbeschichteten Einwegverpackungen gegessen werden, während reine Kunststoffverpackungen verboten werden sollen.
Der europäische Verband Plastics Europe spricht sogar von einer verpassten Chance, wichtige Anreize für die umfangreichen Investitionen zu schaffen, die es braucht, um Kunststoffverpackungen kreislauffähig zu machen. Um den Übergang zur Kreislaufwirtschaft mit Kunststoffen zu erleichtern und sowohl das mechanische als auch das chemische Recycling voranzutreiben, brauche es Marktanreize und einen starken regulatorischen Rahmen. Enttäuscht sei man auch darüber, dass nicht deutlicher herausgestellt wurde, dass biobasierte Kunststoffe und recycelte Materialien separate, aber sich ergänzende Lösungen sind, die dazu beitragen können, die Plastikindustrie nachhaltiger zu gestalten.
„Maßnahmen, die nur auf Kunststoffe abzielen, führen nur dazu, dass Kunststoffe durch andere Materialien ersetzt werden, ohne nachgewiesenen Nutzen für die Umwelt, und es trägt auch nicht zur Lösung des Problems mit Einwegverpackungen bei. Die EU-Verpackungsverordnung sollte stattdessen besser praktische Investitionsanreize schaffen, um die Transformation zur Kreislaufwirtschaft zu fördern und zu beschleunigen.“
Virginia Janssens, Geschäftsführerin von Plastics Europe AISBL
PPWR schafft Planungssicherheit
Aus den Reihen des Maschinen- und Anlagenbaus kommen grundsätzlich positive Reaktionen. „Die EU-Verpackungsverordnung schafft eine gewisse Planungssicherheit für den Maschinenbau und seine Kunden. Allerdings belasten handwerkliche Schwächen und realitätsfremde Vorgaben des Regelwerks die Branche“, sagt Richard Clemens, Geschäftsführer des VDMA Fachverbandes Nahrungsmittelmaschinen und Verpackungsmaschinen. Denn im Unterschied zu dem von der Kommission ursprünglich vorgeschlagenen Entwurf sieht die nun angenommene Verordnung eine deutliche Ausweitung der Mehrwegquoten bei Industrieverpackungen vor, darunter Palettenumhüllungen und Umreifungsbänder zur Ladungssicherung auf Paletten. „Eine Mehrwegquote von 100 Prozent für industrielle Transportverpackungen bei Lieferungen zwischen Unternehmensstandorten und Transporten innerhalb eines Mitgliedstaates entbehrt jeder Grundlage, ein Nachweis der ökologischen Vorteilhaftigkeit fehlt. Eine Wiederverwendung ist technisch gar nicht realisierbar. Damit kommt diese Vorgabe praktisch einem Verbot gleich, was allen Forderungen zur Ladungssicherung widerspricht“, erläutert Clemens.
Die Verpackungsstahlhersteller fordern strengere Kriterien für ein recyclinggerechtes Design. Bild: APEAL
Der Verband der europäischen Verpackungsstahlhersteller, APEAL, unterstützt gemeinsam mit der Permanent Materials Alliance weiterhin alle Bestimmungen, die ein hochwertiges Recycling fördern und sich für mehr Kreislaufwirtschaft in Europa einsetzen, sieht aber im Kompromissvorschlag noch Spielraum für eine Stärkung der Kriterien für recyclinggerechtes Design. Entscheidend werde aber die Definition dieser Kriterien sein. Die in der Alliance zusammengeschlossenen Verbände (neben APEAL sind das European Aluminium, FEVE und Metal Packaging Europe) fordern daher weiterhin ein ehrgeiziges Klassifizierungssystem mit strengen quantitativen Kriterien, um sicherzustellen, dass Verpackungsmaterialien nicht nur für das Recycling ausgelegt sind, sondern auch effektiv gesammelt, sortiert und in großem Umfang recycelt werden.
Dem “Handelsblatt” gegenüber warnten zudem mehrere große Konsumgüterhersteller vor einem Scheitern der Verordnung. Ohne die Verordnung würden wichtige Innovationsimpulse verhindert, die Verpackungen nachhaltiger machen würden, sagt etwa Reinhard Schneider von Werner & Mertz dem Handelsblatt. Bei aller Kritik an der neuen EU-Verordnung überwiegt bei vielen Herstellern grundsätzlich aber die Hoffnung, dass durch einheitliche europäische Regeln endlich viel Verwaltungsaufwand wegfällt.