Haltbarkeit und Nachhaltigkeit: Wissenstransfer von der Forschung zur Industrie

Die Lebensmittel- und Verpackungsindustrie steht vor dem Spagat zwischen Nachhaltigkeit und Haltbarkeit von Produkten. Dazu kommen Herausforderungen wie wirtschaftliche Kosteneffizienz und strenge gesetzliche Regularien. Eine enge Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen hilft, neue Technologien zu entwickeln und zukunftsfähige, gesetzeskonforme Lösungen zu finden.

Das Kürzel WFBR steht für Wageningen Food & Biobased Research und ist ein Forschungsinstitut innerhalb der Wageningen University & Research in den Niederlanden. „Im Mittelpunkt unserer Arbeit steht der Wissenstransfer. Bei WFBR geht es darum, wissenschaftliche Erkenntnisse, technologische Fortschritte und praktische Lösungen mit der Gesellschaft, Regierungsorganisationen und Industriepartnern zu teilen“, erklärt Eelke Westra, WFBR-Programmmanager. „Diese Zusammenarbeit unterstützt alle Beteiligten, innovative Praktiken und Technologien entlang der gesamten Lebensmittelversorgungskette zu implementieren, um ihre Abläufe und ihre Nachhaltigkeit zu verbessern.“

Auf der Suche nach nachhaltigen Verpackungen und weniger Lebensmittelverschwendung braucht jede Branche clevere Lösungen, um die individuellen Hürden zu überwinden.

Bei Milch- und Molkereiprodukten führen Überproduktion und kurze Haltbarkeit zu hohen Verlusten im Einzelhandel und bei Verbraucherinnen und Verbrauchern. Indikatoren auf chemischer Basis oder pH-sensitive natürliche Pigmente zeigen durch Farbveränderung an, wenn Produkte schlecht werden und können Verbrauchern helfen, nicht nur nach dem Mindesthaltbarkeitsdatum zu entscheiden.

Mikrobieller Verderb durch Bakterien und Oxidation beeinträchtigen die Haltbarkeit von Fleisch- und Wurstwaren. Bioaktive Verbindungen aus Pflanzenextrakten können heute eine Lösung sein, um das Bakterienwachstum zu hemmen. Intelligente Verpackungen bieten die Möglichkeit, die Temperaturgeschichte eines Produkts zu überwachen und zeigen durch Farbveränderungen an, ob die Kühlkette unterbrochen wurde und dadurch Verderb möglich ist. Sensoren oder eine Optimierung der Lieferkette durch KI können die Nachfrage analysieren und die Produktmengen besser steuern und den Bestand im Handel oder im Lager optimal anpassen.

Weltweit gehen 45 Prozent der jährlichen Obst- und Gemüseernte durch unzureichende Verpackung verloren. Die Ethylenproduktion bei reifenden Früchten beschleunigt den Qualitätsverlust vor allem bei langen Transportwegen, so dass optisch nicht einwandfreie Produkte im Müll landen. Verpackungen mit modifizierter Atmosphäre (MAP) regulieren den Sauerstoff- und CO2-Gehalt zur Verlangsamung des Bakterienwachstums und Qualitätsverlust. Die Verpackung wird so zu einem intelligenten Schutzschild, das den Reifeprozess verlangsamt und Früchte länger frisch hält.

Schnell verderbliche Zutaten in frischen Mahlzeiten oder Salaten erfordern spezielle Schutzatmosphären-Verpackungen. Gastronomie- und Catering-Unternehmen brauchen biologisch abbaubare To-Go-Verpackungen, die auslaufsicher und wärmeisolierend sind.

„Wageningen Food & Biobased Research versteht unsere Anforderungen und hilft uns bei der Entwicklung von biobasierten und biologisch abbaubaren Kunststoffverbindungen“, erklärt Thijs Rodenburg von Rodenburg Biopolymere. Eine der Innovationen, die das Unternehmen in Zusammenarbeit mit WFBR entwickelt hat, ist ein Schraubverschluss für Lebensmittelverpackungen, dessen Hauptbestandteile Stärke und Biobernsteinsäure sind.

Hochfunktionale Verpackungen stehen beim niederländischen Unternehmen PaperFoam im Fokus. In Zusammenarbeit mit WFBR wurde ein flexibler Schaumstoff auf Basis von Kartoffelstärke, Naturfasern, Wasser und Zusatzstoffen entwickelt, der unter anderem für Eier genutzt wird. „Wir arbeiten mit einer stabilen Gruppe von WFBR-Wissenschaftlern zusammen, die umfangreiches Wissen über Stärke und Biomaterialien mitbringen“, so Mark Geerts, CEO von PaperFoam.

Fest steht – im Balanceakt zwischen steigenden Anforderungen und rasantem technologischen Fortschritt sind Unternehmen auf den Zugang zu neuestem Wissen angewiesen.

Ein Projekt im niederländischen Wageningen läuft beispielsweise unter dem Stichwort Flavour-AI. Hierbei geht es um die Geschmacks- und Geruchsoptimierung von pflanzlichen Produkten durch KI-gesteuerte Fermentation. Bei pflanzlichen Lebensmitteln sorgen chemische Verbindungen wie Aldehyde und Ketone oft für unerwünschte Fehlaromen, die durch eine mikrobielle Umwandlung während der Fermentation entstehen. Das entwickelte AI-Tool analysiert und optimiert Kombinationen von Substraten, Mikroben und Enzymen, verkürzt und erleichtert den Weg zum gewünschten Ergebnis.

Welche Möglichkeiten bieten Roboter beispielsweise bei der Ernte von Tomaten oder Paprika. Im WFBR-Forschungsschwerpunkt Nacherntetechnologie und Robotik beschäftigt man sich mit genau dieser Frage und entwickelt beispielsweise mobile Laboreinrichtungen. Sie sehen von außen wie ein Kühlcontainer aus, in dem sich innen eine hochmoderne Forschungseinrichtung mit Mess- und Regelgeräten befindet. So können Hersteller vor Ort schnell die Qualität der Produkte einschätzen und die effektivsten Lagerbedingungen koordinieren. Dies sichert auf dem Markt vielfach eine längere Haltbarkeit und führt zu höheren Umsätzen durch zufriedene Kunden.

Dass sich die Investition in Innovation lohnt, zeigen die Erfolge. „Durch unsere Zusammenarbeit mit acht großen niederländischen Supermarktketten haben wir dazu beigetragen, die Lebensmittelverschwendung im Vergleich zu 2018 um 17,4 Prozent zu reduzieren“, berichtet Westra. „Diese signifikante Reduzierung wurde durch die Optimierung des Bestandsmanagements, die Verbesserung der Verpackung und die Implementierung besserer Lieferkettenpraktiken erreicht.“

Ein Problem zu kennen, heißt dabei noch lange nicht, das Forschungsfeld für die gewünschte Lösung exakt definieren zu können. „Eine der größten Herausforderungen besteht darin, unseren Partnern zu helfen, das Wissen zu fokussieren und zu entwickeln, das in ihrer spezifischen Situation anwendbar ist“, so der WFBR-Spezialist.

In Wageningen hat man es sich zur Aufgabe gemacht, die Lücke zwischen akademischem Wissen und seiner praktischen Anwendung zu schließen. Maßgeschneiderte Lösungen, ein breit aufgestelltes Expertenteam und hochmoderne Einrichtungen machen aus Forschungsansätzen umsetzbare Strategien. Der Benefit für Auftraggeber – verbesserte Produktqualität, weniger Abfall und mehr Nachhaltigkeit.

Über die SAVE FOOD Initiative

Die SAVE FOOD Initiative fördert innovative Projekte, die einen nachhaltigen Umgang mit Lebensmitteln weltweit ermöglichen. Sie wurde 2011 von der Messe Düsseldorf und der interpack ins Leben gerufen und kooperierte seitdem unter anderem mit der Welternährungsorganisation (FAO) und dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UN Environment). Sie setzt sich für die Förderung der UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs), insbesondere zur Reduzierung der weltweiten Nahrungsmittelverschwendung (SDG 12.3) ein. Ziel der Initiative ist es, durch den Einsatz innovativer Verarbeitungs- und Verpackungstechnologien eine nachhaltige Nahrungsmittelversorgung zu sichern und gleichzeitig Ressourcen zu schonen.