Fremdkörperdetektion und Lebensmittelsicherheit – auf der Suche nach dem blauen Handschuh

Glassplitter in Fruchtsäften oder Babynahrung, Metallspäne vom Maschinenverschleiß im Hackfleisch, Plastikfragmente durch beschädigte Verpackungsmaterialien in Schokoladenriegeln, Steinchen und Holzsplitter in unverarbeiteten Lebensmitteln wie Getreide oder Gemüse – kein Verbraucher möchte, dass verunreinigte Produkte auf dem Teller oder im Glas landen.

Werden die Fremdkörper nicht entdeckt, sind die Folgen manchmal unangenehm, oft gefährlich. Verletzungen im Mund, Rachen oder im Magen-Darm-Trakt, Infektionen und Allergien sind denkbar. Mikroplastik kann sich in verschiedenen Organen festsetzen und möglicherweise Entzündungen oder sogar langfristig Zellschäden verursachen.

Metallfäden oder Metallbruchstücke zählen zu den häufigsten Verunreinigungen in Lebensmitteln. Manche Lebensmittel tragen ein hohes Risiko, mit Metallteilen versetzt zu sein – zum Beispiel der teure spanische Schinken, Pata Negra. „Das Vieh lebt draußen und ist damit auch Querschlägern von Jagdaktivitäten ausgesetzt“, weiß Johannes von Stein, Vice President Sales Food von Sesotec, einem Systemspezialisten für industrielle Fremdkörperdetektion. „Kein Hersteller dieser Schinken möchte seine Kundschaft, die sich einen bis zu 1.000 Euro teuren Schinken leistet, vergraulen.“

Lebensmittelhersteller setzen neben speziellen Sieben auf Magnet-, Metalldetektoren und Röntgensysteme, um solche Fremdkörper zu erkennen und zu entfernen. „Ideal sind Kombinationen aus verschiedenen Systemen“, erklärt Spezialist von Stein. Magnetsysteme eignen sich besonders für Produktlinien, in denen Eisenpartikel wie Nägel, Schrauben oder Metallspäne vorkommen können. Diese Verunreinigungen sind etwa bei der Herstellung von Schüttgütern wie Gewürzen oder Kakaopulver denkbar. „Die günstigste und in der Regel vorgeschriebene Variante der Fremdkörperdetektion ist der Metalldetektor“, so von Stein. „Verunreinigungen durch Edelstahl oder Aluminium, bei denen ein Magnet scheitert, findet er.“

Röntgeninspektionssysteme kommen auch bei Bioprodukten, bei denen besonders strenge Qualitätskontrollen gelten, immer häufiger zum Einsatz. Sie sind ideal, wenn Fremdkörper aus Glas und Keramik oder größere Knochenteile in der Produktion landen können – zum Beispiel bei der Abfüllung von Glasfalschen, bei Marmeladen oder der Fleischproduktion.

Die End-of-Line Produktkontrolle ist essentieller Bestandteil jeder industriellen Produktionslinie. Damit soll gewährleistet werden, dass alle verpackten Produkte für ihren weiteren Weg in der Lieferkette frei von Verunreinigungen sind. „Aber sich darauf zu verlassen, reicht nicht“, so der Lebensmittelkontrollspezialist von Stein. „Kontaminierte Rohstoffe können potenziell an jedem Punkt der Produktionslinie in den Verarbeitungsprozess gelangen. Auch menschliches Versagen spielt eine große Rolle. So gelangen immer wieder die oft in Produktionslinien verwendeten blauen Handschuhe in den Verarbeitungsprozess.“

Auf dem Weg durch die Fertigungsstraßen können die Kontaminanten – beispielsweise eine Schraube – durch die verschiedenen Prozessschritte zerkleinert werden. Das verursacht mehr Teile und mehr kleine Teile, die immer schwerer zu identifizieren sind. „Je später ich aussortiere, desto höher sind die Kosten zum Beispiel durch bereits verbrauchte Energie, Zutaten, Verpackungsschalen oder Folien. Es steigt auch das Risiko für weitere Schäden oder notwendige Maschinenstopps“, fasst der Prozessexperte weitere Risikofaktoren zusammen.

Je früher und regelmäßiger Kontrollen durchgeführt werden, desto besser. Idealerweise werden alle kritischen Kontrollpunkte in der Verarbeitung definiert und mit modernen Detektionssystemen ausgestattet. Damit lässt sich vermeiden, dass zu einem späten Zeitpunkt große Mengen an Lebensmitteln aussortiert und zeitaufwändig in die manuelle Prüfung geschickt werden müssen. Manchmal werden aus Sicherheitsgründen dann große Mengen an genießbaren Lebensmitteln entsorgt, obwohl vielleicht nur ein einziges Produkt kontaminiert ist. „Positiver Nebeneffekt frühzeitiger Kontrollen“, so von Stein. „Auf diese Weise wird am Wareneingang bereits die Qualität des Zulieferers kontrolliert.“

Sesotec setzt für Metalldetektion künstliche Intelligenz ein, um besonders anspruchsvolle Aufgaben zu erfüllen. Beispiel Parmaschinken – dieser enthält viel Salz. Schrotkugeln und Salz haben ähnliche physikalische Eigenschaften. Sie leiten beide Strom und erzeugen bei der Messung der elektrischen Leitfähigkeit ähnliche Signale. So könnte das Salz des Schinkens fälschlicherweise als Schrotkugel detektiert werden.

„Um dieses Problem zu lösen, arbeitet das Kontrollgerät mit verschiedenen Frequenzen, die es ermöglichen, das Signal von Salz auszublenden, so dass nur echte Fremdkörper wie Schrotkugeln erkannt werden“, erläutert der Manager. Durch diese spezielle Einstellung bleibt der Schinken im Produktionsfluss und wird nicht irrtümlich ausgeschleust, was für eine höhere Präzision und Effizienz der Kontrolle sorgt – und für weniger Verschwendung von Lebensmitteln.

„Moderne KI-Systeme haben den großen Vorteil, dass sie trainiert werden können“, so von Stein. „Mithilfe großer Mengen an Beispieldaten lernen sie, unterschiedliche Signale voneinander zu unterscheiden.“ Im Laufe der Zeit identifiziert die KI unterschiedliche Muster und Eigenschaften, die eben Salz von Schrotkugeln oder typische Fremdkörper wie Bruchstücke von Glas, Metallfäden oder Holzspäne unterscheiden. „Das System erkennt also im Laufe der Zeit immer zuverlässiger Fremdkörper und reduziert falsch-positive Ausschleusungen.“

Mit dem Integrated Compliance Monitoring bietet Sesotec ein sich selbst überwachsendes Sicherheitssystem an. Lebensmittel werden während der Produktion in definierten Abständen durch einen Metalldetektor geleitet, der kontinuierlich ein elektromagnetisches Feld erzeugt. Fremdkörper wie Metalle beeinflussen dieses Feld durch spezifische elektrische und magnetische Eigenschaften, die sich von den umgebenden Materialien unterscheiden, und lösen so eine Reaktion aus.

Durch die fortlaufenden Signale wird sichergestellt, dass das System korrekt kalibriert ist. Es funkt permanent die Botschaft „ich bin einsatzbereit“. Wird dann doch ein Alarm ausgelöst, muss nur eine kleine Menge an Lebensmitteln in Quarantäne zur Nachprüfung geschickt werden. Es wird also nur die betroffene Charge gesperrt, während das übrige Produkt weiterhin sicher durch die Kontrolle gehen kann.

„Moderne Linien produzieren heute mit Geschwindigkeiten von 300 bis 900 Verpackungseinheiten pro Minute. Im Getränkebereich schnellt die Zahl auf 2000 Dosen in 60 Sekunden hoch. Hier ist eine vollautomatische Prüfung zur effektiven Qualitätssicherung unabdingbar“, so von Stein.

„Qualität ist ein nicht verhandelbares Gut“, so von Stein. „Immer mehr Verbraucher schauen genau hin und informieren sich. Qualität und Lebensmittelsicherheit sind heute entscheidende Faktoren für das Vertrauen der Konsumenten und letztlich für wirtschaftlichen Erfolg“.

Jeder Lebensmittelproduzent kennt die in der EU und in vielen anderen Ländern verankerten strengen gesetzlichen Vorgaben. Ein Verstoß kann zu teuren Rückrufaktionen, Strafzahlungen und im schlimmsten Fall zu Gerichtsverfahren führen. Laut einer Analyse der Lebensmittelwarnungen in der EU wurden etwa 12 bis 15 Prozent aller Lebensmittelrückrufe in den letzten Jahren durch Fremdkörper ausgelöst. Millionen Tonnen Lebensmittel werden in diesem Zuge aus Sicherheitsgründen vernichtet.

Kontrollmaßnahmen und die Investition in moderne Sicherungssysteme lohnen sich, denn Rückrufaktionen sind ein zeitintensives Unterfangen und verursachen hohe Kosten von durchschnittlich 1,31 Millionen Euro, so Studien von Versicherungsunternehmen, die sich auf Rückruf- und Produkthaftungsversicherungen spezialisieren. Im Lebensmittelbreich sollen die Durchschnittskosten sogar noch deutlich höher liegen, da hier besonders strenge Sicherheitsstandards bestehen. Der Imageverlust für betroffene Unternehmen wirkt oft über Jahre und bedeutet langfristige wirtschaftliche Einbußen.

„Mit unseren komplexen Systemen setzen wir auf den ganzheitlichen Blick des Qualitätsmanagements. So werden für unsere Kunden alle Phasen der Produktion transparent und sie erhalten verlässliche Daten für erforderliche Dokumentationen“, so von Stein.

Innovative Technologien helfen dabei, die strengen Regularien zur Lebensmittelsicherheit zu erfüllen. Aber jenseits aller ethischen Argumente, bestimmen vielfach wirtschaftliche Aspekte unternehmerische Entscheidungen, die aus einer Pflicht eine Kür machen können. Hier braucht es die Vernetzung von Knowhow aus verschiedenen Bereichen, um Fortschritte immer leichter in der Praxis zu etablieren.

Sesotec ist Mitglied der SAVE FOOD Initiative, Johannes von Stein erklärt warum: „In Industrienationen wird fast ein Fünftel der Nahrungsmittel während der Herstellung und Produktion verschwendet. Lösungen gegen Lebensmittelverschwendung sind unsere Passion. Wir schätzen die Plattform SAVE FOOD, weil wir hier starke Partner treffen. Lebensmittelsicherheit wird erst dann wirklich gelebt, wenn es profitabel ist. Und daran möchten wir gemeinsam mit anderen arbeiten.“