Rund um den Globus mehren sich in den letzten Jahren innovative Projekte wie die Initiative SAVE FOOD’ zur Reduzierung von Lebensmittelabfällen. Neben ‚Smart Packaging’ oder aktiven Verpackungen für längere Haltbarkeit stehen ‚Doggy Bags’ im Fokus vieler Initiativen. Auch Europa möchte mit Ländern wie den USA oder Südafrika gleichziehen. Dort sind die sogenannten ‚Doggy Bags’ gesellschaftlich anerkannt; durch sie sollen die Speiseverluste durch Reste, die der Gast auf seinem Teller hinterlässt, deutlich reduziert werden.
EU-Projekt REFRESH
Seit Juli 2015 bereits läuft das auf vier Jahre angelegte EU-Projekt ‚Refresh’. Insgesamt 26 Partner aus zwölf europäischen Ländern und China erarbeiten innovative Lösungsvorschläge gegen Lebensmittelverschwendung im Einzelhandel wie auch auf Konsumentenseite.
Dabei soll gezielt untersucht werden, welche Faktoren im Allgemeinen zu Lebensmittelverschwendung führen. Gleichzeitig sollen in Kooperation mit Endverbrauchern und Partnern Lösungsansätze erarbeitet und der Politik vorgeschlagen werden.
Das europäische Projekt REFRESH in Deutschland, Spanien, Ungarn und Niederlande hat zum Ziel Initiativen gegen Lebensmittelverschwendung durch Allianzen zwischen Politik, Wirtschaft und lokalen Interessengruppen voranzutreiben. Foto: REFRESH & Ecologic Institute
500 g pro Mahlzeit bleiben ungenutzt
Nach eingehenden Prüfungen der ‚Sustainable Restaurant Association (SRA)’ landen in britischen Restaurants durchschnittlich fast 500 Gramm Lebensmittel pro Mahlzeit ungenutzt auf den bereits vollen Mülldeponien. Die Gründe: Verluste während der Zubereitung, Verderb und Reste auf den Tellern der Gäste. Um dem entgegenzuwirken, wurde schon im Oktober 2011 in London die Initiative ‚Too Good to Waste’ ins Leben gerufen, die kostenlose Doggy Bag Boxen an Restaurants verteilt
‚Too Good to Go‘ wiederum trägt zwar einen sehr ähnlichen Namen, verfolgt aber einen anderen Ansatz. Das dänische Start-up-Unternehmen setzt auf eine Smartphone-App:
Wie funktioniert ‚Too Good to Go?’
Eine kostenlose App vernetzt gastronomische Betriebe mit potenziellen Kunden
Zu viel produzierte Lebensmittel werden über die App zu reduzierten Preisen angeboten
Die Restaurants verdienen mit den andernfalls entsorgten Lebensmitteln, die Kunden können zu reduzierten Kosten essen und trinken.
Die Take-Away-Verpackung der deutschen Design-Studentin Anne Poggenpohl funktioniert intuitiv: Mit einer Hand kann die Verpackung geöffnet, das restliche Essen eingefüllt und mit einem Aufkleber mit Raum für persönliche Notizen wieder verschlossen werden. Foto: Veronique Huyghe, Anne Poggenpohl
2,6 Millionen gerettete Mahlzeiten
Dies alles funktioniert ohne großen Aufwand: Die Gastronomiebetriebe laden Informationen zu ihren überschüssigen Lebensmitteln am Ende des Tages auf der App hoch, die Verbraucher können auswählen und reservieren, die Bezahlung erfolgt online, das Essen wird vor Ort abgeholt.
Da die Portionsgrößen festgelegt sind, ist das Mitbringen eigener Boxen allerdings nicht möglich. Dafür werden speziell entwickelte Take-Away-Boxen und Papiertüten aus biologisch abbaubaren und damit zu 100 Prozent recyclingfähigen Materialien bereitgestellt.
Die Restportionen sind bereits ab einem Euro erhältlich, die App ist für alle kostenlos. Die Angebote können nach Ort, Preis und Abholzeit gefiltert werden. In Deutschland gibt es die App seit 2015, inzwischen beteiligen sich mehr als 1.800 Betriebe. Die Initiative selbst nennt Zahlen von rund 2,6 Millionen ‚geretteten’ Mahlzeiten und 6.000 Tonnen eingespartem CO2 in Europa.
Doggy Bag rund um die Welt
Viele sind überzeugt: Durch ‚Doggy Bags’ können Lebensmittel eingespart werden. Doch nicht alle Nationen sind vom Erfolg der Sache überzeugt:
Frankreich: 50 % weniger Verschwendung bis 2025
Das Heimatland der ‚Cuisine française’ hat als erstes Land weltweit ein Gesetz gegen Lebensmittelverschwendung verabschiedet, mit dem Ziel, diese bis zum Jahr 2025 um die Hälfte zu reduzieren und ein Umdenken in den Köpfen der Bevölkerung zu erwirken. Dem Vorbild zogen mittlerweile weitere Länder nach: zum Beispiel Italien, Peru und Finnland.
Laut französischem Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft sind seit der Gesetzeseinführung im Jahr 2016 deutlich weniger Lebensmittel verschwendet worden. Profitiert haben besonders karitative Organisationen. Laut Gesetz sind Supermärkte ab einer Fläche von 400 Quadratmetern verpflichtet, sich einer Hilfsorganisation anzuschließen, um unverkaufte Waren dorthin abzugeben.
Ziel der ‚Zero Waste Scotland’-Kampagne ist auch die Nutzung von wiederverwertbaren Beuteln. Foto: Scotland's 2020 Climate Group
Scheu vor ‚Gourmet Bag’
Gäste französischer Restaurants scheinen sich allerdings noch immer zu scheuen, nach ‚Doggy Bags’, in französisch ‚gourmet bag’ genannt, zu fragen. Und dies, obwohl nach Schätzungen bei einer Mahlzeit in den Restaurants des Landes fünfmal mehr Nahrungsmittel verschwendet werden als beim Essen zu Hause. Pro Jahr und Franzose sind es demnach mehr als 20 Kilogramm, die in der Gastronomie auf dem Teller bleiben.
Italien: rund eine Million Euro Investition
Auch Italien gilt als Land exquisiter Küche, und auch hier wurde ein neues Gesetz verabschiedet. Lebensmittel können nun auch dann gespendet werden, sollten sie falsch gekennzeichnet oder das Verfallsdatum abgelaufen sein. Einzige Bedingung: Es besteht kein gesundheitliches Risiko. Für das Anti-Food-Abfallgesetz hat Italien rund eine Million Euro bereitgestellt, unter anderem für neue Labeling-Systeme und für Kampagnen zur Entstigmatisierung von ‚Doggy Bags’.
Zero Waste Schottland
Durch Personalschulungen, Werbemaßnahmen und der Einführung von ‚Doggy Bags’ ist in Schottland die Lebensmittelverschwendung im Gastronomiegewerbe bei einem Pilotprojekt um gut 40 Prozent zurückgegangen. Mit der Aktion ‚Zero Waste Schottland’ wurden von der schottischen Regierung Hunderten von Restaurants kostenlose Mitnahmeboxen zur Verfügung gestellt. Insgesamt verzeichneten seitdem 90 Prozent aller befragen Einrichtungen im Durchschnitt den genannten Rückgang der Lebensmittelverschwendung um rund 40 Prozent.
So sieht ein deutsches ‚Doggy Bag’ aus – genannt: Beste-Reste-Box. Foto: BMELV
Trendkasten
Beste-Reste-Box
Vollständig biologisch abbaubar und umweltfreundlich produziert, zudem mikrowellenfest und gefrierfachgeeignet: Insgesamt rund 200 deutsche Restaurants nehmen aktuell an der Aktion des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft teil und legen ihren Gästen die ‚Beste-Reste-Box’ ans Herz. Sie kaufen die ‚Doggy Bags’ auf eigene Kosten, können sich aber entgeltlos auf der Internetseite registrieren und so für sich werben.
Bien Bon
Und noch einmal geht es nach Frankreich: Die deutsche Designstudentin Anne Poggenpohl wurde während ihres Auslandssemesters in Paris für die Konzeption einer nachhaltigen Take-Away-Verpackung vom Nationalen Rat für Verpackungen ausgezeichnet. Mit nur einer Handbewegung kann die Box aufgestellt, befüllt und wieder entfaltet werden. Individuelle Tipps zum Beispiel zur Zubereitungsmethode können auf einem Aufkleber vermerkt, Soßenreste ohne zu tropfen transportiert werden. Zusammengelegt ist der einen Millimeter dicke beschichtete Karton nicht größer als eine DIN A4-Seite und lässt sich dadurch kostengünstig lagern. Das verwendete Kunststoffmaterial ist vollständig wiederverwertbar. Bei der Herstellung werden Form und Muster zeitgleich geschnitten und geprägt und damit darüber hinaus noch gut zehn Prozent Energie eingespart.