"Die Verpackungsbranche wird auch die kommenden Anforderungen meistern"

Oliver Berndt und Ernst Krottendorfer sitzen für die World Packaging Organisation (WPO) in der Jury für die prestigeträchtigen WorldStar Awards 2025. Im ersten Teil unseres Interviews sprachen Sie über Trends und Themen, durch die sich der Wettbewerb in diesem Jahr im Wettbewerb hervorgetan haben. In Teil 2 wagen sie auch einen Blick in die Zukunft.

Oliver Berndt: Da fällt mir zum Beispiel ReZorce ein. Das ist eine bahnbrechende Barriereverpackung aus HDPE-Monomaterial als Alternative zum herkömmlichen Getränkekarton, die bereits 2024 mit einem Gold Award beim Deutschen Verpackungspreis ausgezeichnet wurde und echte Fortschritte beim CO2-Fußabdruck bringt. Der ReZorce-Getränkekarton sieht aus, fühlt sich an, lässt sich falten und verhält sich wie ein Standard-Getränkekarton. Eine patentierte Technologie erzeugt geschäumte Schichten im Kern der Extrusion, die von einer festen Außenhaut umgeben wird. Dadurch können die geschäumten Schichten die Übertragung von Wasser und Sauerstoff verhindern und letztlich eine physikalische Barriere bilden.

Ernst Krottendorfer: Ich möchte hier keine einzelnen Verpackungen hervorheben. Wie schon gesagt, zeigen sich im Nachhaltigkeitsbereich – Mehrweg, Recyclingfähigkeit, Rezyklat-Anteil, Verpackungsreduktion – sehr gute Leistungen, die zukunftsweisend sind.

Ernst Krottendorfer: Für mich ist es immer eine sehr spannende Erfahrung, mit den Kollegen aus Schwellenländern zusammenzuarbeiten. Ihre Sicht auf die Verpackung ist erfrischend anders. Für sie ist Verpackung die Grundvoraussetzung für Warenverkehr. Food Supply Chains können nur bei Verfügbarkeit von Verpackung aufgebaut und Lebensmittelverluste vermieden werden. Hier sehen wir den puren, elementaren und nachhaltigsten Zugang zum Thema Verpackung.

Oliver Berndt: Alle Juroren zusammen an einen Tisch zu holen, ist eine terminliche Herausforderung. Das Voting fand deshalb auch online statt. Es war schön zu sehen, dass alle Jurymitglieder für Verpackungen brennen und mit Elan und dem gebotenen Ernst bei der Sache sind. Der WorldStar bringt uns zusammen und bietet die Gelegenheit für einen spannenden Erfahrungsaustausch und neue Einblicke. Es ist also auch eine Art informelle Weiterbildung in Bezug auf neue Lösungswege und Trends.

Oliver Berndt: Es gibt eine ganze Reihe neue Materialansätze, die sehr spannend und vielversprechend sind. Viele befinden sich allerdings noch in der Erprobungsphase oder ringen noch mit den Herausforderungen der notwendigen Skalierung. Grundsätzlich gilt für alle, dass sie nur dann eine Marktchance haben, wenn sie sich rechnen, kreislauffähig sind und möglichst zum Klimaschutz beitragen. Persönlich halte ich besonders Cellulosefolien für sehr vielversprechend.

Ernst Krottendorfer: Das ist eine Fragestellung, die über das Thema WorldStar hinausgeht und dort auch nicht in dem Maße beantwortet wird. Aus meiner Sicht geht es hier vor allem um die Themen Recyclingfähigkeit, Rezyklat-Einsatz sowie Reverse Supply Chains. Diese Themen werden uns zumindest in Europa in den nächsten Jahren sehr fordern.

Oliver Berndt: Die Verpackungsbranche hat das Know-how, um nachhaltiger zu handeln, die Gesetzgebung zu erfüllen und die Konsumenten anzuleiten. Bei dem Begriff „verpackungsfrei“ stellen sich bei mir die Nackenhaare auf, weil das absolut nicht geht. In Geschäften kann kein Produkt unverpackt angeliefert werden. Es gilt die Prämisse: soviel wie nötig, so wenig wie möglich! Und auch Mehrwegverpackungen sind eine Teillösung der Herausforderungen.

Ernst Krottendorfer: Verpackungsfrei sehe ich ebenfalls nicht. Das ist neben anderen Themen vor allem nicht nachhaltig. Es kommt zu hohen Produktverlusten, die die Einsparung an Verpackung bei weitem übersteigen werden (Carbon Footprint des Produktverlustes gegenüber Carbon Footprint der Verpackung).
Wenn sie unter Zero Waste auch die Themen Mehrweg, Recyclingfähigkeit, Rezyklat Einsatz verstehen, dann bin ich ganz bei Ihnen.

Oliver Berndt: Design für Recycling übt einen massiven Einfluss aus. Das ist nicht länger eine Option, sondern Teil des Pflichtprogramms. Es ist bemerkenswert, in welchem Maß es den Unternehmen gelingt, pfiffige und kongeniale Lösungen zu entwickeln, die Ressourcenschonung durch Materialeinsparung auf ein neues Level zu heben, den Einsatz von Post-Consumer Rezyklat (PCR) voranzutreiben oder den Einsatz von Monomaterial zu verwirklichen, ohne dass es im Vergleich zu bisherigen Lösungen zu Einbußen an Funktionalität oder Leistung kommt.

Ernst Krottendorfer: Die gesetzlichen Anforderungen zwingen zu Circular-Design-Lösungen und zu Verpackungsminimierung. Das muss und wird immer stärker kommen.
In der Verpackungsindustrie arbeiten die meisten Betriebe nach Operational-Excellence-Kriterien und optimieren ihre Fertigungsprozesse laufend. Anders kann man im Wettbewerb gar nicht bestehen.

Ernst Krottendorfer: Ich sehe einen Nachholbedarf in der Verpackungsindustrie vor allem im Bereich des Managements von Verpackungsdaten. Die Industrie verfügt nicht einmal über standardisierte Verpackungsspezifikationen. Die neuen gesetzlichen Anforderungen schreiben eine Weitergabe von Verpackungsdaten entlang der Wertschöpfungskette vor. Nur so kann beispielweise PPWR Compliance hergestellt werden. Hier muss es zu einer Verknüpfung von Nachhaltigkeit und Digitalisierung kommen. Die Circular Economy funktioniert nur mit Daten. Die Industrie hat hier noch einen weiten Weg vor sich.

Oliver Berndt: Die Zukunft vorauszusagen, ist bekanntlich schwer. Aus meiner Sicht werden uns vor allem auch politische Entscheidungen fordern und treiben. Das Overpackaging wird zunehmend der Vergangenheit angehören. Gleichzeitig glaube ich, dass das Bashing bestimmter Materialien abnehmen wird, weil der Wert verschiedener Packstoffe und Packmittel mehr Anerkennung bekommt. Bei allen Herausforderungen bin ich davon überzeugt, dass die Verpackungsbranche ausreichend Know-how und Flexibilität besitzt, um auch die kommenden Anforderungen zu meistern. Das gilt insbesondere dann, wenn wir als Industrie gemeinsam denken und handeln. Es gibt keine Alternative zur Zusammenarbeit über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg. Wettbewerbe wie der Deutsche Verpackungspreis und der WorldStar zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Wir werden weiterhin beste Lösungen sehen.