Weniger Material und mehr grüne Energie: Glasindustrie wird nachhaltiger

Getränke und Lebensmittel sind in Glasverpackungen sicher aufgehoben. Glas ist stabil, robust und vor allem inert, das heißt es findet keine Wechselwirkung zwischen Inhalt und Verpackung statt. Außerdem lässt es sich beliebig oft recyceln. Allerdings ist es schwerer als andere Packstoffe und die Produktion von Glasverpackungen äußerst energieintensiv. Doch die Branche arbeitet mit Hochdruck daran, in allen Produktionsschritten CO2-Emissionen zu reduzieren.

Glasverpackungen sind beliebt und die Nachfrage steigt. Laut dem Bundesverband Glasindustrie lag der Absatz von Behälterglas in Deutschland im Jahr 2022 bei rund 4,6 Millionen Tonnen und damit 4,3 Prozent über dem Vorjahreszeitraum. Gleichzeitig fordern Markenhersteller zunehmend klimafreundliche Verpackungslösungen. Dazu hat sich die Glasverpackungsindustrie in Europa ehrgeizige Ziele gesteckt: Bis 2050 soll die Glasproduktion nicht nur vollständig klimaneutrale, sondern auch vollständig kreislauffähige Verpackungslösungen hervorbringen, so der europäische Behälterglasverband FEVE. Dazu soll vor allem die Glasschmelztechnologie auf grüne und erneuerbare Energien umgestellt werden.

In den letzten Jahren gab es bereits zahlreiche Initiativen, um die gesetzten Ziele zu erreichen. So wurde beispielswese die Eco2Bottle eingeführt, eine klimaneutrale Weinflasche des oberfränkischen Behälterglasherstellers Wiegand-Glas. Sie wird aus 93 Prozent Altglas hergestellt und ist um fast 20 Prozent leichter als vergleichbare Weinflaschen aus dem Wiegand-Glas Portfolio. Geringeres Gewicht bedeutet auch einen geringeren Rohstoffeinsatz sowie weniger CO2-Emissionen durch den Transport. Die nachhaltige Weinflasche wurde bereits mehrmals ausgezeichnet und ist mittlerweile auch in anderen Segmenten im Einsatz. So wurde beispielsweise die Neueinführung der 0,33 Liter Glasflasche der Adelholzener Alpenquellen GmbH als Eco2Bottle-Projekt umgesetzt.

Eine innovative Technologie zur Herstellung von leichten, robusten und langlebigen Glasflaschen hat Glasverpackungshersteller Vetropack entwickelt und mit der Leichtglastechnologie Echovai die weltweit erste Mehrwegflasche aus thermisch gehärtetem Leichtglas produziert. Sie ist nicht nur leicht, sondern zeigt auch weniger Abnutzung, wodurch mehr Umläufe möglich werden. Zudem sinken Logistikaufwand und CO2-Emissionen pro Flasche.

Dabei ist gehärtetes Glas an sich keine Neuheit, sondern wird in anderen Bereichen wie beispielsweise bei Autoscheiben bereits seit vielen Jahren eingesetzt. Bei Glasverpackungen stieß das Verfahren allerdings bis dato an Grenzen. Die thermische Behandlung, die das Glas am Ende stabiler macht, bedingt zunächst teilweise Limitationen im Design der Produkte. Tatsächlich stellt das Echovai-Verfahren durch starkes Aufheizen und anschließend rasches Abkühlen der Flaschen hohe Anforderungen an die Herstellung. Dies betrifft sowohl die Qualität des Materials als auch den Produktionsprozess und die Anlagen.

Rund zehn Jahre Entwicklungsarbeit im Vetropack-Innovationszentrum brauchte es für Echovai. In den letzten Jahren wurden Millionen von Flaschen beim österreichischen Pilotkunden Mohrenbrauerei erfolgreich verkauft und wiederbefüllt und Tests haben die verlängerte Lebensdauer und Haltbarkeit der Echovai-Flaschen bestätigt. Allein bei den 0,33-Liter-Mehrweggebinden wird durch den Einsatz der Echovai-Lösung (210 Gramm) eine Gewichtseinsparung von rund einem Drittel gegenüber den bisherigen Standardflaschen (300 Gramm) erzielt. Gleichzeitig lassen sich die Leichtglasflaschen aufgrund ihrer geringeren Höhe sechs-, statt wie bisher fünffach auf einer Palette stapeln. Das hat Auswirkungen auf den Logistikaufwand: die CO2-Emissionen sanken pro Flasche auf nur noch ein Viertel der normalen 0,33-Liter-Mehrwegflasche.

In Österreich nutzt Vetropack diese Qualitäten, um zur Erfüllung der ab 2024 verbindlichen Mehrwegquote beizutragen. Hier hat der Glashersteller gemeinsam mit relevanten Stakeholdern wie der Brau Union, dem Logistikverbund Mehrweg, dem Verband der Brauereien und deren Mitgliedern eine neue 0,33l-Mehrwegflasche aus Echovai-Leichtglas entwickelt, die in Form einer Pool-Lösung der gesamten dortigen Brauwirtschaft zur Verfügung gestellt wird.

Der Glashersteller bietet Kunden außerdem umfassende Ökobilanzberechnungen, die den gesamten Lebenszyklus einer Glasverpackung abbilden und über das Glas selbst hinaus gehen. Dafür arbeitet Vetropack nicht nur mit Echtzeitdaten aus den eigenen Werken. Die gesamte Wertschöpfungskette wird betrachtet:

Primär- und Sekundärmaterialien, Verschlüsse, Etiketten, Transportverpackungen und schließlich Abfüllung und Transport. Die resultierende Bilanzierung gibt Aufschluss über den Carbon Footprint einer Verpackung – und über Optimierungspotenziale.

Der deutsche Bundesverband Glasindustrie e.V. hatte im letzten Jahr eine CO2-Roadmap zur Klimaneutralität vorgestellt und dazu vom Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung (IER) der Universität Stuttgart gleich drei Szenarien berechnen lassen. Ob Wasserstoff, Biogas oder Strom aus regenerativen Quellen, der Schlüssel zur Klimaneutralität liegt darin, langfristig das Erdgas, das aktuell noch 77 Prozent des Energiemixes ausmacht, zu ersetzen. Die konventionellen Schmelzwannen müssten dazu durch vollelektrische oder hybride Technologien ersetzt werden. Noch sind diese allerdings nicht marktreif verfügbar, so dass noch viel Forschung und Entwicklung in den nächsten Jahren erforderlich sein wird. Erstmalig liegen mit der Roadmap auch die Kosten für eine Transformation der Glasindustrie vor: Rund 4,5 Milliarden Euro müsste die Branche aufwenden, um auf klimaneutrale Schmelzwannen umzurüsten.

Dazu laufen aktuell verschiedene Projekte. „NextGen Furnace“ von Glashersteller Ardagh wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und vom Kompetenzzentrum Klimaschutz in energieintensiven Industrien (KEI) gefördert. Im Laufe des Jahres soll voraussichtlich eine überwiegend elektrisch beheizte Hybrid-Schmelzwanne am Ardagh-Standort Obernkirchen gebaut werden. Der Strom soll dann in Zukunft zu 80 Prozent aus erneuerbaren Energien stammen, der Rest mittels konventioneller Sauerstoff-Erdgasfeuerung eingebracht werden. 60 Prozent der CO2-Emissionen will man so einsparen, auch durch einen hohen Anteil von Scherben in der Produktion. Die Anlage soll künftig als eine Referenztechnologie für die gesamte Behälterglasindustrie dienen.

Anfang 2023 ist auch das durch europäische Mittel aus dem EU-Förderprogramm für Forschung und Innovation, Horizon Europe, geförderte Projekt H2Glass angelaufen. Das auf vier Jahre angelegte internationale Projekt mit 23 Partnern aus der Glasindustrie wird vom norwegischen Unternehmen Sintef Energy koordiniert und befasst sich mit der Förderung von Wasserstofftechnologien und intelligenten Produktionssystemen zur Dekarbonisierung des Glassektors.

Nicht alle Projekte sind von Erfolg gekrönt. Das europäischen Gemeinschaftsprojekt „Furnace for the Future“, ein Projekt für die klimaneutrale Produktion von Glas, bekam keine Unterstützung aus dem ETS-Innovationsfonds der Europäischen Union, einem der weltweit größten Finanzierungsprogramme zur Förderung und Demonstration innovativer kohlenstoffarmer Technologien. Die beteiligten 19 Unternehmen hatten ebenfalls geplant, eine Hybrid-Elektro-Schmelzwanne zu bauen, die jede beliebige Glasfarbe produzieren und einen hohen Anteil an Recycling-Glas verwenden kann. Mit der neuen Technologie sollte es möglich werden, Elektro-Schmelzwannen mit mehr als 300 Tonnen Kapazität pro Tag zu betreiben. Ohne den EU-Zuschuss kann das Projekt nun nicht wie ursprünglich geplant weitergeführt werden.