Einerseits sind Gleichbehandlung und Gleichberechtigung von Mann und Frau das große Ziel. Andererseits mögen es Männer und Frauen nicht vom Marketing, gleich angesprochen und gleich behandelt zu werden. Missachten Politik und Wirtschaft die Biologie?
Tatsache ist, dass alles, was mit Gleichsein zu tun hat, von Frauen ausgeht. Frauen wollen sich nicht von Männern unterscheiden. Männer wollen sich aber von Frauen unterscheiden. Ich bin der Ansicht, dass wir den Geschlechtern mit dem Gender Mainstreaming bewusst Unrecht tun. Wir brauchen soziale und juristische Gleichstellung. Überhaupt gar keine Frage. Wir brauchen gleiche Rechte, aber Gleichmacherei ist ganz schlimm. Wir leben in einer Gesellschaft, die von sich behauptet, individualistisch zu sein, aber alles dafür tut eine Gleichmacherei zu betreiben, die an den Bedürfnissen der Geschlechter weit vorbeigeht. Für Frauen ist Gemeinschaft wahnsinnig wichtig, zumindest als Grundprinzip. In der männlichen Welt gibt es keine Gleichstellung, da gibt es nur Hierarchien. Alleine da haben wir schon unterschiedliche Bedürfnisse. Völlig klar, dass eine soziale und juristische Gleichstellung erfolgen und dass jedes Individuum natürlich eine eigene Wahl haben muss. Jeder hat weibliche und männliche Anteile.
Um wieder die Kurve zu Verpackung zu bekommen: Es kann fast kränkend sein, wenn einDesign mit zu viel Niedlichkeit offensichtlich auf Frauen zielt. Als ob jede Frau Blümchen, verspielte Handschriften und Rosa mögen würde.
Wie ein Parfümflakon von Marc Jacobs.
Und wie rosa Damenrasierer, die mehr kosten als blaue für Männer
Diese Diskussion geht mir auf die Nerven. Ja, es gibt Produkte, die für Frauen teurer gemacht werden, und Produkte, die für Männer teurer gemacht werden. Es gibt weibliche und männliche Domänen in Produktbereichen, die aus den unterschiedlichsten Gründen mehr oder minder weiblich ausgenutzt werden, und es funktioniert. Es gibt den Genderpreis, aber nicht so einseitig, wie das ständig behauptet wird. Da wird etwas kolportiert, was einfach nicht stimmt. Frauen müssen vielleicht für rosa Rasierer ein paar Cents mehr bezahlen, aber sie könnten die blauen kaufen und wären billiger dran. Wo ist das Problem? Das Problem beginnt an anderer Stelle und
in einer ganz anderen Dimension: zum Beispiel werden Männern mehr und teurere Medikamente verschrieben. Es gibt neue Studien, die das beweisen.
Aus welchem Grund geschieht das?
Das hat man noch nicht erforscht, aber eine ältere Untersuchung beweist, dass Frauen vom Arzt häufiger psychosomatische als organische Sachen unterstellt werden, während bei Männern viel zu selten auf die Seele geguckt wird, und viel zu häufig auf die Organe. Leider kann das Verschreibungsverhalten von Ärzten aus Datenschutzgründen inzwischen nicht mehr erforscht werden. Das ist schlimm. Weibliche und männliche Ärzte verschreiben unterschiedlich an
Männer und Frauen. Man kennt die Ursachen nicht und wird es wahrscheinlich auch nie mehr herausfinden. Wir können uns also weiterhin über unterschiedliche Rasierer- und Friseurpreise aufregen, aber gemessen daran, dass Männer für Statussymbole oder für Medikamente so viel mehr bezahlen, und wie mit ihrer Gesundheit umgegangen wird – sind rosa Rasierer eine kleine Baustelle.
Wie reagieren Männer auf ungeschickte Design-Ansprache?
„Pink it and shrink it“ beim Produktdesign, bei Verpackung und so weiter ist ziemlich albern, aber auch da finden wir eine Geschlechtsspezifik. Wenn Männer sich nicht angesprochen fühlen, zucken sie mit den Schultern und fühlen sich nicht angesprochen. Frauen nehmen das sehr persönlich. Die Unternehmen wissen aber nicht, dass Frauen sich angegriffen oder beleidigt fühlen, wenn ein Unternehmen Designmurks macht.
Ihre Studie „Das Geschlecht der Dinge“ kommt ja zu dem Schluss, dass jedem Ding ein Geschlecht zugeordnet werden kann. Sehen die ganz normalen Verpackungen und Produkte des Alltags, abgepackter Käse in einem Supermarkt zum Beispiel, nicht überwiegend neutral aus?
Es gibt nur eine sehr kleine Anzahl von Menschen, die nicht das Gefühl haben, dass Dinge ein Geschlecht besitzen. Wenn ich zum Beispiel sagen würde, „Chefsessel“, wäre das dann männlich oder weiblich?