„VERPACKUNGEN, DIE NUR IM VERKAUFREGAL GUT FUNKTIONIEREN, VERSCHENKEN WERTVOLLES POTENZIAL”
Foto: Andrew Gibbs, Copyright: The Dieline
Interview mit Andrew Gibbs
The Dielinebeschäftigt sich mit allen Facetten von Verpackungsdesign und ist die weltweit meistgelesene Website zu diesem Thema. Durch die Vorstellung verschiedener Designs zeigen die Redakteure, welchen Wert Verpackungen für Marken und Produkte haben. In ihren Artikeln verdeutlichen sie, wie Verpackungen zum Erfolg eines Produkts beitragen können und liefern Designern spannende Inspirationen für neue Kreationen. Seitdem das Online-Magazin 2007 gegründet wurde, ist das Internet – vor allem Social Media – immer wichtiger geworden. Diese Entwicklung beeinflusst die Konzeption von Verpackungen immens, da Konsumenten diese zunehmend in DIY-Tutorials, Upcycling-Projekten und Unboxing-Videos auf Blogs, Instagram und YouTube mit ihren Fans und Freunden teilen.
Andrew Gibbs, CEO und Chefredakteur von The Dieline, hat diese Entwicklungen in den vergangenen Jahren mitverfolgt und beobachtet, wie sie die Verpackungsbranche etwa mit neuen Designs bereichert haben. Nach seinem Grafikdesign-Studium hat der Gründer des Online-Magazins zunächst als Produkt- und Verpackungsdesigner für Händler und Marken wie Target, Bed Bath & Beyond und Jelly Belly wertvolle Erfahrungen gesammelt und Einblicke gewonnen, die er in seine Antworten rund um Upcycling und Unboxing einfließen lässt.
1. Upcycling erlebt auch deshalb gerade einen solchen Boom, weil Umweltschutz immer mehr in den Fokus von Verbrauchern und damit auch der Unternehmen rückt. Wieso kommt gerade diese Form der Nachhaltigkeit so gut an? Inwiefern unterscheidet sie sich etwa vom Einsatz natürlicher Materialien?
Upcycling ist ein nicht aufzuhaltender Trend, der weiter an Fahrt gewinnt. Verbraucher machen sich immer deutlicher bewusst, welchen Einfluss ihre Kaufentscheidungen und damit auch die von ihnen erworbenen Produkte haben. Deshalb kommt der Upcycling-Gedanke so gut bei ihnen an. Denn damit können sie aktiv den Lebenszyklus einer Verpackung verlängern. Außerdem bietet Upcycling Mehrwert für Produkte: Nachdem Konsumenten diese verbraucht haben, können sie die Packmittel noch weiterverwenden. Auf diese Art und Weise können sie jedem Verpackungsmaterial ein neues „Leben“ geben.
2. Oft bedeutet Upcycling auch Handarbeit. Hat es auch das Zeug dazu, im größeren Umfang – etwa als Verpackung einer ganzen Produktlinie – eingesetzt zu werden?
Ich bin der Meinung, dass der Upcycling-Trend erst der Anfang ist und noch viele neue Verpackungen hervorbringen wird, die weiterverwendet werden können. Ich glaube, zukünftig werden wir noch mehr Verpackungen sehen, die von vorneherein so konzipiert sind, dass sie mehr als einen Nutzen haben.
Von Recycling zu Upcycling: Aus Schraubverschlüssen werden Textmarker. Foto: ALBA Group
3. Stichwort Unboxing: Was ist das genau, seit wann gibt es dieses Phänomen und welchen Einfluss hat es auf neue Verpackungsdesigns?
Unboxing hat sich entwickelt, weil immer mehr Verbraucher online einkaufen. Lange Zeit war es so, dass sich ein Produkt im Handel beweisen musste – und zwar über die Verpackung, die den Kunden angesprochen und zum Kauf verleitet hat. Je mehr Waren im Internet bestellt werden, desto weniger muss die Verpackung die Kaufentscheidung in den Geschäften beeinflussen, sondern erst dann überzeugen, sobald die Verbraucher ihre Produkte zu Hause auspacken.
Diese Veränderung hat einen neuen Verpackungstrend gesetzt: Das Verpackungsdesign muss nicht mehr aus dem Ladenregal hervorstechen, sondern die Kunden zu Hause begeistern. Das hat Verpackungsentwickler dazu angeregt, solche Packmittel zu entwerfen, die nicht nur in den eigenen vier Wänden zum Erlebnis werden, sondern auch online. Dadurch, dass Konsumenten ihre Unboxing-Erfahrungen via Social Media teilen, ist eine ganz neue Form des Marketings entstanden.
4. Was macht die Faszination dieses Trends aus: Geht es mehr um das Produkt in der Verpackungen oder das Erlebnis des Auspackens?
Beides trägt zum Reiz von Unboxing bei: das Produkt selbst und die Verpackung, die sorgfältig so geplant wurde, dass ihr Inhalt sich langsam vor dem Kunden enthüllt.
5. Wie sollen Unternehmen, Marken und Verpackungsdesigner auf diesen Trend reagieren? Was können sie lernen und wie sollten sie Verpackungen zukünftig konzipieren, um auch beim Unboxing eine gute Figur zu machen?
Da zunehmend Produkte online erworben werden, müssen Unternehmen und Marken sich von der Vorstellung verabschieden, dass Verbraucher im Regal auf Produkte aufmerksam werden. Verpackungen, die nur dort gut funktionieren, verschenken wertvolles Potenzial, Kunden zu begeistern.