ISOLIER- UND KÜHLVERPACKUNGEN FÜR ANWENDUNGEN IN DER PHARMAINDUSTRIE
Lagertemperatur nicht gleich Transporttemperatur
Seit Einführung der EU-Leitline zur guten Distributionspraxis, bekannt als GDP-Leitline, gab es bei Pharmagroßhandel und Pharmaherstellern in Deutschland häufig Diskussionen. Grund dafür sind die von ihnen kritisierten sehr restriktiven Regeln der Aufsichtsbehörden in Bezug auf Temperaturvorgaben beim Transport von Arzneimitteln.
Laut GDP-Vorgaben müssen die Arzneimittelprodukte "in einem akzeptablen Bereich transportiert" werden, ausschlaggebend für die Temperatur sind die angegebenen Lagertemperaturen auf der Verpackung. Aus Sicht der Arzneimittel-Hersteller und Großhändler werden bei dieser Formulierung die verschiedenen Prozessschritte beim Transport (Beladen, Entladen, etc.) nicht ausreichend berücksichtigt. Auch unter Verwendung von ökonomisch vertretbaren qualifizierten Standardtransportsystemen sei es unmöglich, die definierten Lagertemperaturen zu jeder Zeit ohne Unterbrechung zu gewährleisten. Die Branchenvertreter fordern daher für den lokalen Transport Akzeptanzkriterien für kurzfristige Unterbrechungen (bis zu 12 Stunden). Stabilitätstests (Stresstest) hätten gezeigt, dass in der europäischen Klimazone I/II davon auszugehen sei, dass kurzfristige Unter- bzw. Überschreitungen der auf der Verpackung indizierten Lagertemperatur die Qualität des Arzneimittels nicht negativ beeinflussen. Es bestünde daher keine Notwendigkeit für besondere Vorgaben für den Transport in der EU. Für hochsensible Arznei gelten natürlich Ausnahmen.
In Deutschland gibt es über 2.000 kühlpflichtige oder kühlkettenpflichtige Medikamente. Dazu gehören neben speziellen Impfstoffen, Asthmasprays oder Biologicals, die z.B. gegen Rheuma oder Krebserkrankungen eingesetzt werden, unter anderem auch Insuline. Sie dürfen nur kurzfristig eine Temperatur von +8 °C überschreiten. Die Lagerung solch hoch temperaturempfindlicher Wirkstoffe ist bei +2 °C bis +8 °C vorgeschrieben. Zu keinem Zeitpunkt darf die Temperatur unter 0 °C sinken. Bei Minustemperaturen können die Substanzen einfrieren und so ihre Struktur verändern, was zu Unverträglichkeiten oder Nebenwirkungen führen kann. Salben, Lotionen oder Tropfen gilt es, zudem auch vor Überhitzung zu schützen.
Ob Einweg oder Mehrweg, faltbar oder robust – die Verpackungsindustrie hält zahlreiche Lösungen für den geeigneten Transport und die Lagerung von kühlpflichtigen Pharmaprodukten für Groß- und Privatkunden bereit. Kühlboxen aus Polyurethanschaum, Polypropylen, extrudiertem Polystyrol mit einer Beschichtung aus Aluminiumfolie bieten hervorragende Isolierleistung vor extremen Temperaturen und die notwendige Stoßfestigkeit. Taschen aus mehrschichtiger Isolierfolie sind auch für Privatpersonen beim Transport von der Apotheke bis nach Hause bestens geeignet. Standard-Pappkartons können mit isolierenden Inlays und Kühlelementen so ausgestattet werden, dass ein Temperaturgang von 2-8°C über 24 Stunden bei einer Umgebungstemperatur von 20-25°C sichergestellt werden kann.
Besondere Isolierfolien aus zweilagig aluminiumbeschichteten Bläschenfolien reflektieren UV- und Wärmestrahlung. Sie sind damit bestens für den Palettentransport geeignet, bieten sich aber auch für die Innenisolierung an: Zusammen mit Trockeneis können so auch tiefgekühlte Waren transportiert werden.
Für den Langstreckentransport per Flugzeug oder Schiff eignen sich extrem widerstandsfähige PVC-Überseecontainer. Bei Palettentransporten schützten Thermohauben die Ware vor extremen Temperaturen. Alternativ bietet die Industrie isolierende Versandkartonagen an. Sie bestehen aus einem Ring und einem Stülpdeckel aus robustem Wellkarton, der mit einer isolierenden Folie laminiert wurde. Eine praktische Lösung, bei der das zusätzliche Einwickeln mit Stretchfolie entfällt.
Wer es lieber natürlich mag, kann hochsensible Pharmaprodukte auch mit Wolle schützen. Die in Großbritannien entwickelte Isolierverpackung „LifeGuardian“ besteht zu 100 Prozent aus Wolle und verspricht den sicheren Transport bzw. Lagerung der Arznei bei Temperaturen von 2 °C - 8 °C bis zu 150 Sunden.
Mittlere kinetische Temperatur (MKT)
Die mittlere kinetische Temperatur ist das kinetische Mittel aller Temperaturen, denen das Arzneimittel in der Zeit der Lagerung und des Transports in der Lieferkette ausgesetzt ist. Quelle: Positionspapier BAH, BPI, vfa, Pro Generika und PHAGRO, November 2015.
Für fast alle Sendungen von temperaturempfindlichen Gütern ist in der pharmazeutischen Industrie die Benutzung von Temperaturloggern vorgeschrieben, die die Temperatur kontrollieren und aufzeichnen. Hochmoderne Geräte sind mit USB-Schnittstellen ausgestattet, die den Bericht im PDF-Format speichern oder aber die Temperaturkurven während der Messung gleich ausdrucken.