Der Nachwuchs der Verpackungsbranche steht in den Startlöchern

In der Verpackungsbranche herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass der Wandel hin zu einer echten Kreislaufwirtschaft nur mit Vermeidung, recyclinggerechtem Verpackungsdesign, dem Einsatz von Rezyklaten und mit deutlich mehr Mehrweg gelingen kann. Impulse kommen auch von den Universitäten und Fachhochschulen, an denen Nachwuchsdesignerinnen und -designer an zukunftsfähigen Lösungen tüfteln, die nicht selten ausgezeichnet werden. So wie die folgenden Projekte.

Weniger Müll durch Zigarettenstummel

In einem Semesterprojekt an der MSD Münster School of Design haben sich vier Studierende mit dem Problem von sorglos weggeschnippten Zigarettenstummeln beschäftigt und eine pfiffige Lösung entwickelt, die helfen soll, die Vermüllung einzudämmen. Dafür gab es im vergangenen Jahr den Deutschen Verpackungspreis in der Kategorie Nachwuchs. Madeline Hesse, Elisabeth Freymüller, Jonas Zerr und Frederic Vennemeyer wollten mit „Input“ einen umweltfreundlichen Standard innerhalb der Zigarettenindustrie anstoßen. Dazu haben die Designstudierenden eine Zigarettenpackung um ein ausziehbares Zusatzfach erweitert, in dem die Stummel bis zur nächsten fachgerechten Entsorgungsmöglichkeit aufbewahrt werden können.

Die zweiteilige Kartonschachtel lässt sich einfach auseinanderziehen und die Zigarettenstummel können dann durch eine frei werdende, kreisrunde Öffnung eingeworfen werden. Um unangenehmen Gerüchen entgegenzuwirken, könnte das Fach zudem innenseitig mit Wachs beschichtet werden. „Input“ passt zudem in die etablierten Verkaufssysteme an Tankstellen, in Kiosken oder Automaten. So werden alle gesetzlich vorgeschriebenen Normen beachtet und die Maße an jene herkömmlicher Zigarettenpackungen angepasst. Erst durch die Nutzung erweitert sich die Packung temporär.

Wer häufig umzieht, kennt das Problem: Um ein paar Löcher in den Wänden zu verspachteln, muss gleich ein ganzer Sack Wandspachtel gekauft werden. Die drei angehenden Designerinnen Kim Bujak, Giulia La Spina and Suh-Kyung Choi haben in ihrem Packaging-Kurs an der Münster School of Design mit „Fillær“ eine nachhaltige All-in-one-Lösung in einem Einwegkarton entwickelt. Zielgruppe sind Menschen, die für kleine Ausbesserungsarbeiten auch nur kleine Mengen brauchen.

Die Verpackung enthält 330 Gramm Spachtelmasse – genug um zehn Dübellöcher oder kleinere Risse damit zu verfüllen. Der Verschluss verwandelt sich in einen praktischen Spatel mit eingearbeiteter Schräge zum leichten Abstreifen der Spachtelmasse. Die Kartonverpackung selbst wird zu einem schalenförmigen Behälter mit ergonomischem Griff, in dem die trockene Spachtelmasse mit Wasser angemischt wird. Verwendet wurde schließlich ein 300 g/m² starker Karton, der ohne Kunststoff, beziehungsweise ohne Beschichtung auskommt und umweltfreundlich über das Altpapier entsorgt werden kann. Alle Informationen zur Handhabung werden leicht verständlich über Piktogramme erläutert.

Ebenfalls an der Münster School of Design haben die Designstudentinnen Kristina Scheld und Farina Nagel die Rundum-Schutzverpackung „Frame it“ für Bilderrahmen entwickelt. Sie besteht komplett aus Karton und verzichtet auf die sonst übliche Kunststofffolie. Dafür wurde die Verpackung mit einem Pro Carton Young Designers Award ausgezeichnet.

Nach dem Auspacken und dem Abtrennen der Kantenschoner bleibt eine Schablone zurück, mit der die neuen Rahmen probeweise an der Wand positioniert werden können, ohne diese markieren zu müssen. Sie haftet über sanfte Klebepads, die sich leicht wieder entfernen lassen. Hat man die gewünschte Lage gefunden, dient sie auch dazu, den Nagel an der richtigen Stelle in die Wand zu schlagen. Will man mehrere Bilderrahmen im gleichen Abstand aufhängen, ist zudem das in die Verpackung integrierte Lineal hilfreich. Detaillierte Informationen zu Material, Rahmengröße und Handhabung findet man in Form von selbsterklärenden Piktogrammen auf der Verpackungsrückseite.

Als Masterstudentin an der Stuttgarter Hochschule der Medien hat Lisa Scherer ein ökologisches Verpackungsmaterial aus Getreidespelzen entwickelt, das expandiertes Polystyrol (EPS) ersetzen könnte. Das neuartige Material besteht aus Spelzen, die in der Getreideverarbeitung bislang als ungenutzte Reststoffe entsorgt werden. Aufgrund der natürlichen Hohlräume der Spelzen besitzt das neue Material gute isolierende und stoßdämpfende Eigenschaften. Mithilfe organischer Klebemittel ist es beliebig formbar und ökologisch völlig unbedenklich. Die Getreidespelzen, die in der Regel als Tiereinstreu verwendet oder einfach verbrannt werden, bezieht die Designerin aus regionalen Mühlen. Nach Gebrauch kann das nachhaltige Verpackungsmaterial einfach über die Biotonne oder den heimischen Kompost entsorgt werden.

Lisa Scherer hat gemeinsam mit ihrer Schwester Sophia Scherer und den Freunden Nils Bachmann und Henning Tschunt das Start-up Proservation gegründet. Für die Weiterentwicklung des Materials haben die vier ein Exist-Gründerstipendium bekommen und wollen ihr Produkt damit zur Marktreife bringen.