Spinnen die? Kanadische Forscher machen Folie aus Spinnenseide
Proteine machen die Fasern natürlicher Spinnenseide besonders elastisch und reißfest. Eigenschaften, die sich auch für Verpackungen gut eignen. (Bild: Chase McBride/unsplash)
Spinnen die? Kanadische Forscher machen Folie aus Spinnenseide
Wer schon einmal in ein Spinnennetz gelaufen ist, weiß, wie reißfest der Seidenfaden der Spinne ist – einmal im Gespinst gelandet, ist es gar nicht so leicht, sich von den dünnen, filigran wirkenden Fäden zu befreien. Um ihre Beute optimal zu fangen, sind die Seidenfäden besonders reißfest und elastisch.
Tolle Eigenschaften! Das dachten auch kanadische Forscher der Universität Cambridge und haben sich gefragt, ob man diese Eigenschaften nicht nachahmen und für Verpackungsmaterialien nutzen könnte.
Angefangen hat alles mit der Erforschung von Proteinen. Yusuf Hamied geht im Department of Chemistry der Frage nach, was passiert, wenn sich Proteine falsch falten und wie das mit Krankheiten wie Alzheimer zusammenhängt. Dabei entdeckte er die positiven Eigenschaften von Spinnenseide: „Es war daher eine Überraschung, mit unserer Forschung auch ein großes Nachhaltigkeitsproblem angehen zu können“, sagt der Forschungsleiter Tuomas Knowles.
Professor Tuomas Knowles, Forschungsleiter, Universität Cambridge (Bild: Xampla)
„Da alle Proteine aus Polypeptidketten bestehen, können wir unter den richtigen Bedingungen dafür sorgen, dass sich pflanzliche Proteine genau wie Spinnenseide selbst zusammensetzen.“
Professor Tuomas Knowles, Forschungsleiter, Universität Cambridge
Die ersten Folienverpackungen für Spülmaschinentabs sind in der Erprobungsphase. (Bild: Xampla)
Von der Forschung in den Markt
Heraus kam also eine Polymerfolie, die die Struktur der elastischen Spinnenseide nachahmt. Dazu nutzen die Forscher Sojaproteine. Damit die Folie auch unter die Leute kommt, gründete die Universität Cambridge das Spin-off Xampla, das die Weiterentwicklung und Vermarktung der Entdeckung übernehmen soll. Denn die Forscher haben mit ihrer Entdeckung mal eben eine Alternative zu Einweg- und Mikroplastik gefunden. Die Polymerfolie ist so beständig wie bereits gebräuchliche Kunststoffe und könnte Plastik deshalb besonders bei Haushaltsprodukten ersetzen.
Davor muss die Alternative aus Spinnenseide aber noch zur Marktreife gebracht werden, und dieser Aufgabe nimmt sich Xampla an. Bisher testet das Unternehmen erste nachhaltige Folienverpackungen für Spülmaschinentabs.
Simon Hombersley, CEO Xampla (Bild: Xampla)
„Wir befinden uns derzeit in der Erprobungsphase, um im nächsten Jahr auf den Markt zu kommen. Das Material wird als Drop-in-Lösung für bestehende Foliengießanlagen entwickelt.“ Simon Hombersley, CEO von Xampla
Vegane Spinnenseide ohne Spinne
Auf dem Weg zum marktfähigen Produkt lag der Fokus der Forscher besonders auf den positiven Eigenschaften der klebrigen Spinnenseide. „Im Rahmen unserer Proteinforschung haben wir uns auch dafür interessiert, warum Materialien wie Spinnenseide so stark sind, obwohl sie so schwache molekulare Bindungen aufweisen“, erklärt Dr. Marc Rodriguez Garcia, früher Postdoktorand in Knowles‘ Gruppe und heute Leiter der Forschungs- und Entwicklungsabteilung bei Xampla.
Hier kommt auch wieder die eigentliche Forschung an den Eigenschaften von Proteinen zum Einsatz, denn Proteine können nach Belieben angeordnet werden – sie können also auch die Struktur der Proteine von Spinnenseide nachbilden. Und ein weiterer nachhaltiger Vorteil von Pflanzenproteinen zeigt sich: Sie können als Nebenprodukte der Lebensmittelindustrie nachhaltig gewonnen werden und sind in großem Maße vorhanden.
Die drei Gründer von Xampla (von links nach rechts): CEO Simon Hombersley, Forschungsleiter an der Universität Cambridge Professor Tuomas Knowles und Head of Research Dr. Marc Rodriguez Garcia (Bild: Xampla)
Dr. Marc Rodriguez Garcia, Head of Research (Bild: Xampla)
„Andere Forscher haben direkt mit Seidenmaterialien als Kunststoffersatz gearbeitet, aber es handelt sich dann immer noch um ein tierisches Produkt. In gewisser Weise haben wir eine ‚vegane Spinnenseide‘ entwickelt, denn wir haben das gleiche Material ohne die Spinne geschaffen.“
Dr. Marc Rodriguez Garcia, Leiter Forschungs- und Entwicklungsabteilung Xampla
Die Folie aus veganer Spinnenseide kann sogar mit Hochleistungskunststoffen mithalten. Technisch ähnelt sie Polyethylen niedriger Dichte (LDPE), und auch bei den wichtigen Barriereeigenschaften muss man nichts vermissen: Die Sauerstoff- und Fettbarriereeigenschaften sollen hervorragend sein. Wenn es um Feuchtigkeit geht, kann vegane Spinnenseide mit herkömmlichen Biokunststoffen mithalten. Ein weiterer Vorteil: Die Polymerfolie lässt sich im industriellen Maß produzieren und ist als Drop-in-Lösung konzipiert. Und damit hört die Forschung längst nicht auf. Aktuell wird die vegane Spinnenseide für die Herstellung von wasserfesten Beschichtungen getestet.
Die neue Polymerfolie aus Pflanzenproteinen ahmt die Eigenschaften des Spinnenfadens nach. (Bild: Xampla)
Als besonders nachhaltige Verpackungsalternative zeichnet sich die vegane Spinnenseide auch aus, weil sie zu Hause kompostiert werden kann – ein wichtiger Faktor beim Thema Umweltschutz. Vielleicht gesellt sich die ein oder andere lebendige Spinne dazu und führt die besonderen Eigenschaften von Spinnenseide noch einmal live vor.
Die neue Polymerfolie aus Pflanzenproteinen ahmt die Eigenschaften des Spinnenfadens nach und kann in verschiedenen Verpackungen verwendet werden. (Bild: Xampla)
„In den nächsten Jahren wird sich herauskristallisieren, wer im Bereich der Kunststoffalternativen die Nase vorn hat. Wir wollen mit Xampla zu diesen Gewinnern gehören und Kunden in allen Verpackungsanwendungen bedienen.“ Xampla-CEO Simon Hombersley