Rezyklate für Verpackungen sind gefragt wie nie

Vor 1950 war die Welt noch nahezu plastikfrei. Heute begegnen uns Kunststoffe überall. Als Verpackungsmaterial sind sie aufgrund ihrer vielen Vorteile nicht mehr wegzudenken. Die Kehrseite: Bekanntlich werden die meisten Plastikverpackungen nur einmal genutzt und landen danach im Müll. Aber das Material ist eine wertvolle Ressource, die angesichts von Lieferengpässen und Rohstoffknappheit aktuell sogar noch wertvoller wird. Daher spricht gerade vieles für Recycling und den Einsatz von Rezyklat in der Verpackungsherstellung.

Wenn wir von Rezyklat sprechen, ist stets der Sekundärrohstoff gemeint, der aus dem Recycling von Kunststoffen hervorgeht. Er stammt entweder aus den Überbleibseln der Kunststoffindustrie wie Stanzresten oder fehlerhaften Chargen und wird dann Post-Industrial-Rezyklat (PIR) genannt. Dieses Material ist meist sortenrein, wenig kontaminiert und daher leicht zu recyceln. Die zweite Quelle sind die gesammelten Wertstoffe aus den privaten Haushalten. Dieses so genannte Post-Consumer-Rezyklat (PCR) muss zunächst sortenrein sortiert, gereinigt und dann aufbereitet werden. Doch egal, aus welcher Quelle Rezyklat stammt, die Nachfrage ist gerade sehr hoch, denn die Verwendung von recyceltem Kunststoff zur Herstellung von Verpackungsmaterial reduziert den Einsatz von fossilen Rohstoffen und senkt gleichzeitig den Energiebedarf.

Für die Kunststoffindustrie biete dies neue Chancen, meint Dr. Isabell Schmidt, Geschäftsführerin Kreislaufwirtschaft bei der IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen: „Wie kein anderes Material werden Kunststoffe schließlich für die klimaneutrale Wirtschaft gebraucht, ob als Rotorblätter von Windenergieanlagen oder als energie- und ressourcensparende Verpackungen für Lebensmittel und andere Produkte. Wir arbeiten mit Hochdruck am Schließen der Kreisläufe und Neudenken unserer Produkte.” Der Branchenverband hatte im letzten Jahr eine Studie in Auftrag gegeben, die das Potenzial für den Einsatz von Recyclingmaterial in Kunststoffverpackungen ermitteln sollte. Demnach könnte die Menge von 475.000 Tonnen auf circa 960.000 Tonnen pro Jahr gesteigert werden, was etwa 22 Prozent der Produktionsmenge entspricht. Damit das tatsächlich funktioniert, gilt es nicht nur Verfügbarkeit und Qualität sicherzustellen, Recyclingmaterialien müssen auch wirtschaftlich attraktiver werden.

Zentrale Voraussetzung für die ausreichende und dauerhafte Verfügbarkeit von Rezyklaten ist die getrennte Sammlung. „Recycling funktioniert dort am besten, wo Kunststoffabfälle getrennt gesammelt werden – das sehen wir bei der Pfandsammlung von PET-Getränkeflaschen“, sagt Schmidt. „Hier werden Rezyklate produziert, die sogar den strengen gesetzlichen Anforderungen im Lebensmittelkontakt gerecht werden. Um den zukünftigen Rohstoffbedarf der Kunststoff verarbeitenden Industrie zu decken, muss die Politik darauf hinwirken, dass die getrennte Sammlung in ganz Europa deutlich verbessert und die Deponierung von Kunststoffabfällen gänzlich verboten wird.“

Aber aktuell ist der Markt für recyceltes PET, PE oder PP nahezu leergefegt, die Kosten sind dramatisch gestiegen und steigen weiter. Die Macher der digitalen Beschaffungsplattform für Rezyklate, Cirplus, verfolgen die Entwicklung aufmerksam. Als globaler B2B-Online-Marktplatz ist Cirplus angetreten, den Einkauf und Vertrieb von recycelten Kunststoffen so einfach wie möglich zu gestalten. Nutzer aus über 100 Ländern sind derzeit auf der Plattform registriert. Vor allem recyceltes PET und PE sind weltweit gefragt. Seit Anfang des Jahres habe die Nachfrage nach Rezyklat um 600 Prozent zugenommen, so Cirplus. Den geringeren Mengen, die momentan angeboten werden, stehen kräftig gestiegene Preise gegenüber. Eigentlich hat Cirplus über eine Million Tonnen recyceltes Material gelistet, viele Qualitäten davon sind derzeit aber nicht verfügbar. Dennoch ist in der Branche gerade vieles in Bewegung geraten, denn immer mehr Unternehmen investieren in den Bereich Recycling. „Wir spüren das auch durch den Zuwachs bei unseren Nutzern, zu denen Converter, Recycler und Verarbeiter gehören“, sagt Sprecherin Marie-Christin Bergmann. Außerdem fragen verstärkt große Unternehmen nach Rezyklat. Viele haben sich selbst verpflichtet, in ihren Produkten künftig mehr Recyclingmaterial einzusetzen und wollen nun ihre Quoten erhöhen.

Die Kunststoffrecyclingbranche könnte deutlich mehr Rezyklate produzieren, meinen Experten. Allerdings kann in Europa bislang jeder Recycler je nach Eingangsstrom der Abfälle unterschiedliche Ausgangsqualitäten liefern. Das erschwert die Versorgung des Marktes mit großen Mengen an gleichbleibenden Qualitäten. Eine Standardisierung soll helfen, künftig mehr Rohstoffe in garantierter Qualität zu produzieren. Cirplus Geschäftsführer Christian Schiller war an der Entwicklung der DIN SPEC 91446 beteiligt, die als Standard für Recyclingkunststoffe auch die Grundlage für eine künftige europäische Norm bilden soll. Er meint: „Der Weg wird nur über die Standardisierung gehen.“

Auch im Bereich Kosmetik und Haushaltsreiniger hat man sich auf den Weg gemacht. Noch werden diese so behandelt wie Lebensmittel, wenn es darum geht, sie in recycelten Kunststoff zu verpacken. Das möchte ein Konsortium aus Markenartiklern, Recyclingunternehmen, Kunststoffherstellern und -verarbeitern ändern. Aus dem Forum Rezyklat ist daher Cospatox (Cosmetics, Packaging and Toxicology) hervorgegangen und will bis 2023 Sicherheitsstandards für PCR in Kosmetik- und Haushaltsverpackungen definieren – mit einem ersten Schwerpunkt auf Polyolefinen (PE und PP). Die Idee ist, dass für eine Shampooflasche oder für den Bodenreiniger nicht die hohen Standards für die Lebensmittelqualität eingehalten werden müssen, sondern ein abgeschwächter Standard ausreicht, der dennoch Schutz für die Verbraucherinnen und Verbraucher bietet. Das Industriekonsortium ist überzeugt, dass von der Standardisierung auch Unternehmen profitieren werden, die bisher aufgrund der fehlenden toxikologischen Bewertung und Standardisierung von Non-Food-PCR Abstand genommen haben.

Gerade bei den Kosmetikverpackungen war eine makellose Optik stets vorrangig. Mit dem Einsatz von Rezyklat ist das aber meist nicht zu erreichen. So können kleine Einschlüsse sichtbar sein oder die Farbe einer Verpackung variiert je nach verwendetem Rezyklat. Mittlerweile setzt aber offenbar auch hier ein Umdenken ein: Erste Unternehmen kommunizieren bereits den Einsatz von Recyclingmaterial als Ausdruck ihres nachhaltigen Handelns.

In wirtschaftlich schwierigen Zeiten sei das Recycling ein Investitionsgrund und der Trend zu Rezyklaten nicht mehr umkehrbar, sagte kürzlich Billion-Präsident Korbinian Kiesl im VDMA-Interview. Der französische Hersteller von Spritzgießmaschinen verarbeitet auf seinen Anlagen schon längst auch wiederverwertetes Material und erklärt, die Verarbeitung von Rezyklaten sei bereits von einer Vision zu einem Alltagsthema geworden.

Projekte rund um den Rezyklateinsatz gibt es derzeit viele. So startete PepsiCo in diesem Frühjahr ein Pilotprojekt, in dem die Shrinkfolien für Pepsi-Flaschen und –dosen zu zehn Prozent aus recyceltem Plastik aus dem Gelben Sack, zu 40 Prozent aus Recyclingkunststoff aus anderen Quellen und nur noch zur Hälfte aus neuem Kunststoff hergestellt werden. Ziel ist, die reguläre Produktion ganz umzustellen auf Folie aus Folie. So klar und hell wie bislang wird die Gebindefolie dann künftig zwar nicht mehr aussehen. „Aber wenn die Leute wissen und verstehen, warum die Verpackung anders aussieht, werden sie das in Kauf nehmen“, meint Kai Klicker-Brunner von PepsiCo.

Eine Kooperation zum vermehrten Rezyklat-Einsatz ist interpack-Aussteller Südpack eingegangen. Gemeinsam mit Carboliq, einem Spezialisten für Rohstoffrückgewinnung, soll das chemische Recycling als zusätzliche Technologie neben den bisher anerkannten Verfahren etabliert werden. Das Joint Venture dient dem Ziel, Folienabfälle, die bei der Verarbeitung der Südpackprodukte entstehen, künftig in industriellem Maßstab in hochwertiges Pyrolyseöl umzuwandeln.

Und auch Verpackungshersteller Greiner Packaging setzt auf chemisches Recycling. Für Nestlé produziert das österreichische Unternehmen Kaffeekapseln aus Post-Consumer-Rezyklat von LyondellBasell. Das Chemieunternehmen entwickelt unter dem Markennamen CirculenRevive Polymere auf Basis von PCR. Mittels Massenbilanzansatz ermittelt der Chemiekonzern, welche Menge an Recyclingmaterial im Fertigungsprozess von CirculenRevive-Produkten zum Einsatz kommt. Über eine Nachhaltigkeitserklärung kann der recycelte Anteil dann dem endgültigen Polymer zugerechnet werden.