10.000 Prozent mehr Fälschungen in zwei Jahrzehnten

Wenn Produkte eine Nummer erhalten, sind sie meist besonders wertvoll und müssen vor Fälschungen zuverlässig geschützt werden. Das trifft auf hochwertige Kunstwerke genauso zu, wie auf handsignierte Unikate von weltbekannten Stars. Schlagzeilen machte 2013 die Geschichte von David Wong, Projektdirektor beim weltweit größten Anbieter von Perlenkernen Fukui Shell Nucleus Factory. Er hatte begonnen, RFID-Tags als Perlenkern in Muscheln zu implantieren. So war zu jeder Zeit nachvollziehbar, wo sich das besondere Stück befindet. Mittels eines Passworts ließen sich zudem entlang der Lieferkette weitere Daten wie Echtheitszertifikate, Kauf- und Wiederverkaufsdaten abrufen.

Ganz ähnlich verhält es sich auch bei Verpackungen. Vor allem im Arzneimittelbereich, wo Fälschungen nicht nur Geld, sondern auch Leben kosten können, wird Track & Trace Technik im Zusammenhang mit serialisierten Verpackungen bereits erfolgreich genutzt. Jedes Produkt wird hierbei mit einer eindeutigen, einmalig vergebenen Kennzeichnung versehen. 

Tatsächlich hat die Marken- und Produktpiraterie weltweit explosiv zugenommen. In nur zwei Jahrzehnten ist der Anteil der Fälschungen um 10.000 Prozent extrem angestiegen. Allein in den USA soll er sich zwischen 1990 und 2010 verhundertfacht haben.

Der wirtschaftliche Schaden ist immens. Die Europäische Beobachtungsstelle für Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums (EUIPO) und die OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) haben in einer 2016 veröffentlichten Studie den weltweiten Verlust durch Fälschungen auf einen Warenwert von bis zu 461 Milliarden US-Dollar beziffert – dies entspricht in etwa dem Bruttoinlandsprodukt von Österreich oder Norwegen.

Für Deutschland geht der VDMA für das Jahr 2016 von einem Schaden für die Maschinen- und Anlagenbau-Industrie von 7,3 Milliarden Euro aus. Laut einer Mitgliederbefragung unter den 3.100 Mitgliedern sind

• 70 Prozent der Unternehmen von Produktpiraterie betroffen,
• knapp die Hälfte sieht ihren Anlagenbetrieb in Gefahr,
• für fast 40 Prozent spielen mögliche gesundheitliche Risiken für die Kundschaft eine wichtige Rolle (Lebensmittel und Industriearmaturen),
• 80 Prozent gaben China als eines der wesentlichsten Importeure von Fälschungen und Plagiaten an.

Quelle: one-identity-plus.com/wp-content/uploads/2017/03/vdma-studie-produktpiraterie-2016.pdf

Dabei geht es um ganz unterschiedliche Produkte. Luxusuhren, Parfums, Lederwaren, Technik- und Ersatzteile, sogar Lebensmittel sind attraktive Waren für lukrative Geschäfte im Sekundärmarkt. Laut Schätzungen von EUIPO (European Union Intellectual Property Office) und ITU (International Telecommunication Union) sind im Jahr 2015 nur im Smartphone-Markt weltweit durch Plagiate 45,3 Milliarden Euro Verluste entstanden. Circa 14 Millionen illegale Kopien sind in der Europäischen Union in dem gleichen Zeitraum verkauft worden. 

Weltweilt versuchen gesetzliche Vorgaben den Schaden zu begrenzen. Neben der Arzneimittelindustrie existieren auch in weiteren Branchen bereits Vorgaben zur Rückverfolgbarkeit und Serialisierung der Erzeugnisse. Dazu zählen beispielsweise Tabakwaren oder gentechnisch veränderte Lebens- und Futtermittel.

Welches Potenzial Unternehmen der Serialisierung als Hilfsmittel gegen Fälschungen, Produkt- und Markenpiraterie zusprechen, hat die kürzlich erschienene Track & Trace-Studie von Mettler-Toledo PCE gezeigt. In Europa und Nordamerika hat die Schweizer Unternehmensgruppe über mehrere Monate Kunden befragt. Insgesamt 37 Unternehmen aus der Agrar-, Chemie- und Lebensmittelindustrie sowie Markenartikelhersteller der Konsumgüterbranche und Third-Party-Dienstleister im Umfeld von Verpackung und Logistik nahmen in dem Zeitraum von Juli 2016 bis März 2017 an der Umfrage teil.

Das Wichtigste in Kürze:

• Mehr als die Hälfte der Unternehmen oder ihrer Branche waren bereits von Fälschungen betroffen und haben sich mit dem Thema intensiv befasst.
• Die Kosmetikindustrie scheint besonders oft Opfer von Fälschern zu sein.
• Mehrheitlich sehen die Befragten neue Serialisierungsanforderungen auf sie zukommen und sind sich bewusst darüber, wie wichtig eine passende Softwarelösung für die Serialisierung ist. Allerdings wird dabei der Aufwand im Zusammenspiel von IT, Produktion und Qualitätsmanagement häufig unterschätzt.
• Gesetzliche Vorgaben zur Serialisierung für ihre Branche würde rund ein Drittel begrüßen.
• Insgesamt nennen die Unternehmen als wichtigste Vorteile einer Serialisierung den Schutz vor Marken-und Produktpiraterie sowie eine höhere Transparenz in der Logistikkette.