Nachfüllen und mehrfach nutzen

16.03.2022 - Einmal genutzt und dann weggeworfen – noch ist dies das Los der meisten Verpackungen. Eine Trendwende zeichnet sich aber ab: Neben der besseren Wiederverwertung und dem steigenden Einsatz von recycelten Materialien werden neue Mehrweg- und Refill-Systeme zunehmend als Alternative zur Einwegverpackung attraktiv.

Bepfandete Mehrwegsysteme funktionieren in Deutschland schon lange gut, wenn es um Getränke wie Wasser, Softdrinks und Bier geht. Doch über die Getränkeverpackungen hinaus sollen Mehrwegangebote auch in anderen Bereichen, etwa im Versandhandel und Unterwegsverzehr, deutlich erhöht werden, forderte zuletzt auch das Umweltbundesamt (UBA). Im Kosmetik- und Haushaltsreinigermarkt wiederum sind es eher Nachfüllsysteme, mit denen Verpackungsmaterial ebenso wie Transport- und Logistikkosten eingespart werden sollen. Umweltbewusste Start-ups sind in diesem Markt mit pfiffigen Ideen dabei, aber auch die großen Hersteller haben längst Refill-Lösungen im Portfolio. Jüngstes Beispiel: Ein recycelbarer Standbodenbeutel aus Monomaterial, den Mondi für die Henkel-Marke Pril entwickelt hat. Das Nachfüllprodukt ergänzt die PET-Pumpspenderflaschen der Marke und soll pro Nutzung zu einer Kunststoffeinsparung von 70 Prozent beitragen.

Refill ist aber mehr als nur der recycelbare Nachfüllbeutel. Zwar sind Abfüllstationen noch eine Seltenheit, aber Märkte wie Alnatura, dm, Kaufland oder Aldi testen bereits in einigen Filialen Unverpackt-Stationen, um herauszufinden, wie Kunden das Angebot zum Selbstabfüllen annehmen. Kosmetik, Reiniger, Wasch- und Spülmittel, aber auch trockene Lebensmittel sind mittlerweile unverpackt zu haben. Die entsprechenden Behälter bringt man einfach mit oder erwirbt sie vor Ort.

Vytal wirbt seit Anfang 2022 mit einer Plakatkampagne für sein Mehrwegsystem. Über 2.000 Partner bieten Speisen in den Mehrwegbehältern zur Abholung oder Lieferung an. Die Rückgabe erfolgt bei ihnen, in Rückgabeboxen im Supermarkt oder bei Quick Commerce Diensten. Das Vytal-System ist für Nutzerinnen und Nutzer kostenlos und pfandfrei, es finanziert sich über Gebühren, die Gastronomiebetriebe pro Befüllung entrichten. Die wiederverwendbaren Behälter leihen Nutzerinnen und Nutzer per QR-Code über die Vytal-App aus. Innerhalb von 14 Tagen müssen sie zurückgegeben werden, andernfalls kauft man automatisch die Bowl für zehn Euro und den Cup für vier Euro.

Das 2016 gegründete Münchener Unternehmen Recup setzt mit seinen Behältern Recup und Rebowl dagegen auf ein Pfandsystem. Aktuell gibt es deutschlandweit 10.000 Aus- und Rückgabestellen, 1.000 weitere sind geplant. Beteiligt sind Cafés, Restaurants, Betriebsgastronomien, Tankstellen, Kioske und Imbisse. Derzeit laufen zudem Testphasen mit verschiedenen Anbietern im Food-Delivery-Sektor. Das Pfandsystem funktioniert ohne Registrierung oder Dateneingabe: Gegen einen Pfandpreis von fünf Euro erhalten Kundinnen und Kunden ihr Take-away-Essen in der Rebowl, bei Rückgabe gibt es das Pfand zurück. Die Behälter bestehen aus recycelbarem Polypropylen (PP), sind BPA- und schadstofffrei, werden in Deutschland produziert und lassen sich ca. 200- bis 500-mal wiederverwenden.

Ein eigenes Mehrwegsystem für den Inhouse- und To-go-Verzehr testet McDonald’s in zehn ausgewählten Restaurants in Deutschland, bevor Ende 2022 der nationale Rollout in allen Restaurants erfolgen soll. Auch der Fast-Food-Konzern will damit frühzeitig die Weichen für alternative und plastiksparende Verpackungslösungen stellen, noch bevor die gesetzliche Mehrwegpflicht 2023 greift. Pro Verpackung wird ein Euro Pfand erhoben, das bei der Rückgabe in den teilnehmenden Testrestaurants vollständig rückerstattet wird.

Nachfüll-Systeme für Kosmetik und Reiniger sind etabliert, doch es kommen immer wieder innovative Lösungen auf den Markt, die es so noch nicht gab. So nutzt das schwäbische Unternehmen Vema Standbodenbeutel mit Zapfhahn und Bag-in-Box – bisher überwiegend im Bereich Wein und Säfte eingesetzt – für Kosmetika und Reiniger und positioniert sich damit als erster Anbieter in diesem Bereich. Die integrierte Zapfanlage schließt luftdicht ab und verhindert so Verunreinigung und Keimbildung.

Ebenfalls für den Kosmetikbereich gibt es jetzt ein umweltfreundliches Nachfüllsystem für Tiegel aus Glas oder Kunststoff, das an Kaffeekapseln erinnert. Die Refill-Caps von Verpackungshersteller Papacks bestehen aus Zellstoff und sind mit einer organischen Barriere beschichtet. Die nachhaltigen Kapseln werden mit der weiterentwickelten Fasergusstechnik des Kölner Unternehmens hergestellt und können nach Verwendung im Altpapier oder im Bioabfall/Kompost entsorgt werden.

Der japanische Konsumgüterhersteller Kao bietet seine Produkte überwiegend als Refillsysteme an. Für Konsumenten in Japan gehört es daher zum Alltag, Flüssigseife, Shampoo und Haushaltsreiniger im dünnen Folienbeutel zu kaufen, den Inhalt zu Hause in Spenderbehälter umzufüllen oder den Nachfüllpack mit einer speziellen Halterung direkt als Primärverpackung zu verwenden. Auch bei seiner britischen Marke Molton Brown setzt Kao auf Refill, beispielsweise mit Nachfüllpackungen für Handseife und nachfüllbare Glasflaschen oder sogar mit einem Nachfüllservice für seine Originalparfümflaschen.

Dass Mehrweg im Lebensmittelbereich nicht auf Getränke und Milchprodukte beschränkt sein muss, zeigt die Siegburger Rösterei Cofi Loco. Sie verpackt ihren frisch gerösteten Kaffee in einer nachhaltigen braunen Mehrwegflasche. Alleinstellungsmerkmal der Glasflasche ist der eigens entwickelte Deckel mit Aromaventil, den Cofi Loco als Gebrauchsmuster geschützt hat. Der Kaffee wird direkt nach der Röstung in die Flaschen gefüllt und mit dem Aromadeckel verschlossen.

Pfiffige Ideen für Mehrweglösungen entstehen auch an den Hochschulen. So wie ReWrap, eine Silikonhülle für Food-to-go. Die Nachwuchsdesignerin Sarah Klein hat sie in einem Projekt in ihrem Studiengang Nachhaltiges Design an der ecosign/Akademie für Gestaltung in Köln entwickelt und für ihre Arbeit 2021 den Nachwuchspreis MehrWert NRW erhalten. ReWrap kann flexibel gefaltet oder gewickelt werden, ist beständig, lebensmittelecht, spülmaschinenfest und recycelbar. Handhabung und Produktion sind so einfach, dass der Umstieg auf dieses Mehrwegprodukt Verbrauchern leicht gemacht wird. Das Konzept sieht ein Pfandsystem vor, die Verpackung kann aber auch von Verbrauchern erworben und immer wieder mitgebracht werden. Durch die Eigenschaften von Silikonkautschuk soll das Material bis zu 4.000-mal im Kreislauf geführt werden können, bevor es recycelt wird.

Den Mehrweg-Innovationspreis der Deutschen Umwelthilfe und der Stiftung Initiative Mehrweg gab es kürzlich für FairFood Freiburg. Als erstes Unternehmen in Deutschland setzt es auf ein klimafreundliches Mehrwegsystem für Lebensmittel außerhalb des Molkereibereichs. So werden Nussmus, Nüsse und Trockenfrüchte in den bis dato nur für Joghurt & Co verwendeten Standard-Mehrweggläsern angeboten.

Mehrwegsysteme könnten im Versandbereich zu großen Einsparungen von Verpackungsmaterial führen. Im letzten Jahr hat das Forschungsprojekt Praxpack untersucht, ob und wie Mehrwegverpackungen in der Versandhandelspraxis auch wirtschaftlich funktionieren können. Der Pilottest fand mit den Partnern Avocado Store, Otto und Tchibo statt – und mit ca. 14.000 Mehrwegversandverpackungen des finnischen Anbieters Repack.

Dessen Versandtaschen aus 100 Prozent recyceltem Polypropylen konnten, ob leer oder mit Retoure, zum Versender zurückgeschickt und dann erneut benutzt werden. Die hohen Rücklaufquoten mit Retouren sahen zunächst gut aus. Etwas nüchterner fiel die Bilanz bei der Leer-Retoure aus. Hierbei kamen insgesamt zu wenige Verpackungen zurück, um eine gute Umweltbilanz zu erreichen. Kritik gab es zudem an der Rückführung der Repack-Versandtaschen ins estländische Tallin, dem derzeit einzigen Standort des Unternehmens zur Aufbereitung. Das wurde von den Kundinnen und Kunden als wenig ökologisch angesehen.

Noch in der Testphase befindet sich die robuste und leichte Mehrwegbox von Hey Circle aus München. Sie soll später durch Paketdienstleister zwischen Onlinehändlern und Kundinnen und Kunden transportiert und über Paketshops zurückgesendet werden. Mittelfristig plant das Unternehmen ein alternatives Retourensystem, bei dem die leeren Boxen auch in Drogerien, Supermärkten oder an Micro-Hubs abgegeben werden können.