"Zur interpack werden wir Technologie auf einem neuen Level erleben"
Interview mit Friedbert Klefenz
Die interpack 2017 macht Düsseldorf vom 04. bis 10. Mai wieder zum internationalen Hotspot der Verpackungsbranche und der verwandten Prozessindustrie. Als Präsident der interpack 2017 hat Friedbert Klefenz genau im Blick, welche Lösungen die Messe prägen werden. Im Interview verdeutlicht der langjährige ehemalige Bereichsvorstand von Bosch Packaging Technology, wieso die interpack-Themen von elementarer Bedeutung auch für andere Branchen sind – und umgekehrt. Am Beispiel der Lebensmittel- und Pharmaindustrie zeigt er, wie die sich wandelnde Gesellschaft auch die Verpackungsbranche beeinflusst und warum es sich für die Entwicklung von spannenden Verpackungskonzepten lohnt, auch allgemeine wirtschaftliche Veränderungen im Blick zu behalten.
Herr Klefenz, die interpack 2017 steht in den Startlöchern und ist im Mai sieben Tage lang wieder eine Plattform für Trends aus der internationalen Verpackungsbranche und der verwandten Prozessindustrie. Können Sie uns schon jetzt einen kleinen Einblick geben, auf welche Innovationen sich die Besucher besonders freuen können? Ich gehe davon aus, dass wir auf der interpack vor allem viele spannende Neuheiten für Unternehmen aus allen Branchen sehen werden, denn die interpack gilt als Innovationsschau, die viele Unternehmen für Premieren nutzen. Außerdem sind die Perspektiven für den Absatz von Technologie für die Verarbeitung und das Verpacken generell nicht schlecht. Viele Abnehmerbranchen entwickeln sich weltweit dynamisch und benötigen moderne Technologie, die ihren Anforderungen gerecht werden kann. Die Innovationen werden sehr vielfältig sein. Viele davon kann man unter den folgenden Schlagworten zusammenfassen: Effizienz und Flexibilität, Sicherheit und Qualität sowie Energie- und Ressourceneffizienz.
Sie sprechen die Weltwirtschaft an: Trifft es zu, dass Entwicklungen, die diese antreiben, auch Einfluss auf die Verpackungsbranche nehmen? Genauso ist es! Ganz allgemein gesprochen sorgt eine florierende Wirtschaft mit starker Nachfrage nach unterschiedlichsten Waren dafür, dass immer mehr Produkte hergestellt und verpackt werden müssen. Beispielsweise ist die Nahrungsmittelindustrie ein sehr dynamischer Wachstumsmarkt. Das liegt auch daran, dass ein steigendes durchschnittliches Einkommen in sich entwickelnden Ländern dort für eine verstärkte Nachfrage nach verpackten Nahrungsmitteln sorgt. Die lokalen Produzenten müssen daher ihre Kapazitäten ausbauen und modernisieren. In westlichen Industrienationen haben wir es wiederum mit einem gesellschaftlichen Wandel hin zu mehr Singlehaushalten zu tun, die sich kleinere Verpackungseinheiten und eine große Produktvielfalt wünschen. Kleinere und somit bedarfsgerechtere Gebindegrößen für kleine Haushalte sind übrigens auch ein einfaches Mittel, um Nahrungsmittelverschwendung entgegenzuwirken. Ein weiterer Ansatz ist hier der Einsatz von modernen Verarbeitungs- und Verpackungstechnologien, die Lebensmittel länger haltbar machen. Diesem ganzen Themenfeld trägt übrigens die Sonderschau innovationparc mit dem Schwerpunkt SAVE-FOOD Rechnung. Dort sind Lösungen zu sehen, die dabei helfen können, Nahrungsmittelverluste und -verschwendung zu reduzieren.
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Konsumenten sind sicherlich auch im Hinblick auf andere Bereiche kritisch. Wie kommt es, dass gerade die Lebensmittelbranche so immens von den Gewohnheiten der Verbraucher abhängt? Natürlich haben Vorlieben und Lebensumstände von Konsumenten Einfluss auf nahezu jeden Wirtschaftsmarkt – tatsächlich gehören dazu mehr Faktoren als ihr wachsendes Bedürfnis nach Abwechslung und Qualität. Aber besonders was Essgewohnheiten angeht, werden die Auswirkungen schnell deutlich. Ich greife nochmal die kleineren Verpackungseinheiten auf. Der steigende Grad der Urbanisierung und damit einhergehende Trends wie der To-Go-Konsum führen dazu, dass mehr Mahlzeiten unterwegs und in kleineren Portionen konsumiert werden. Auch im Pharmabereich spielt der demographische Wandel der Gesellschaft eine wichtige Rolle. Eine alternde Gesellschaft benötigt mehr pharmazeutische Produkte. Ältere Zielgruppen stellen zudem ganz eigene Ansprüche an Verpackungen – nicht nur bei Arzneimitteln – wie beispielsweise eine leichte Handhabung. Sie sehen also: Das eine bedingt das andere, alles ist miteinander vernetzt.
Zum Stichwort Vernetzung fällt uns direkt das Thema Industrie 4.0 bzw. das Internet of Things ein. Das ist ein so breites Themenfeld, da könnte es ein separates Interview zu geben. Obwohl in beiden Bereichen schon Lösungen existieren, die zeigen wohin die Reise geht, ist das Thema mittel- und langfristig von so großer Bedeutung, dass ihm die Messe Düsseldorf zusammen mit dem VDMA eine neue Sonderschau auf der interpack in Halle 5 am VDMA-Stand widmet. Wenn Software, Sensoren und Netzwerke dafür sorgen, dass Informationen auf Knopfdruck bereitgestellt werden und Geräte sogar unabhängig miteinander kommunizieren können, eröffnet das ganz viele Möglichkeiten. Das heißt auch, dass intelligente Komponenten für Verarbeitungs- und Verpackungstechnologie eine immer wichtigere Rolle spielen. Mit der Zulieferermesse ‚components – special trade fair by interpack‘ bietet die Messe Düsseldorf diesem Thema eine Plattform. Ich bin schon sehr gespannt, was die Aussteller dort in der neuen temporären Halle 18, die zentral im Messegelände liegt, zeigen werden.
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Eine Möglichkeit, die sich durch solche Technologie ergibt, sind beispielsweise sogenannte Manufacturing-Execution-Systeme, die damit in der Lage sind, nahezu unmittelbar auf ungeplante Ereignisse innerhalb eines Workflows zu reagieren. Dank solcher Lösungen können Dienstleister außerdem sicherstellen, dass Produkte sich auch nach dem Verpacken weiterverfolgen lassen. Dass dies keine reine Zukunftsmusik ist, zeigt die pharmazeutische Branche. Immerhin nehmen Arzneimittelfälschungen ständig zu und können ernsthafte Konsequenzen haben. Serialisierung und Nachverfolgbarkeit sind hier die Stichworte. Diese müssen in der Europäischen Union bis 2019 für alle Medikamentenverpackungen umgesetzt werden, sodass gewährleistet ist, dass Unternehmen, Großhändler und Apotheken gefälschte Pharmazeutika schnell erkennen.
Verpackungen werden also in Zukunft zu vielseitigen Allround-Talenten? Zumindest werden sie immer leistungsfähiger. Technologien wie etwa RFID-Tags unterstützen den Weg zur smarten Verpackung, indem Konsumenten durch sie per Smartphone feststellen können, wo ihr Produkt herkommt. Solche Track-&-Trace-Lösungen sind aber nicht nur in der Arzneimittelindustrie unerlässlich. Auch die Lebensmittelbranche kann von ihnen vor allem beim Transport nur profitieren. So können Hersteller und Lieferanten den Transport genau nachvollziehen und herausfinden, ob es auf der Strecke zu Unterbrechungen der Kühlkette kommt. Via Zeit-Temperatur-Anzeigen können Verpackungen auch angeben, wie frisch ein Produkt noch ist. Und das viel genauer als Haltbarkeitsdaten. Intelligente Verpackungen haben insgesamt ein großes Potenzial. Jetzt gilt es die Kosten für solche Lösungen zu senken, damit ein wirtschaftlicher Einsatz möglich ist. Gerade bei Lebensmittelverpackungen ist der Kostendruck sehr hoch.
Was passiert denn in Zukunft noch mit Verpackungen? Sie werden intelligenter und … … persönlicher. Zielgruppengerechte Ansprache bis hin zur Individualisierung ist gerade ein großes Trendthema in der Branche. Schließlich bietet sie Unternehmen die Option, Kunden direkt zu erreichen, weil diese dadurch emotional abgeholt werden. Verpackungen übernehmen schließlich eine wichtige Marketingfunktion. Beim Einkaufen entscheiden Verbraucher oft spontan, welche Waren in ihrem Einkaufswagen landen. Die Verpackung ist also meist der erste Kontaktpunkt zwischen ihnen und der Marke. Deswegen wird ein auffälliges und zielgruppengerechtes Design immer wichtiger.